Liebe Leser,
während ich diese Zeilen schreibe, kämpft sich das Boot durch einen
aufgewühlten Nordatlantik. Gestern Nacht hat der Wind zunächst auf
Nordost gedreht und uns stundenlang in der Flaute dümpeln lassen, bevor
er dann heute Morgen gegen 8 auf Ost drehte und bis auf fünf Windstärken
zunahm. Jetzt bolzen wir mit nur ein paar Knoten Fahrt über Grund
gegenan, denn aus unerfindlichen Gründen scheint auch noch ein Strom von
vorne zu herrschen. Das Etmal fiel daher erschreckend klein aus: 41,4
Meilen.
Dafür gibt es auch gute Neuigkeiten: Den Kocher konnten wir gestern noch
reparieren – seitdem gibt es wieder warme Mahlzeiten. Wir konnten das
Kupferrohr neu am Kocher befestigen und es ist 100 Prozent dicht.
Allerdings haben wir dafür die Kardanik außer Betrieb gesetzt und der
Kocher kann jetzt nicht mehr in den Wellen die Bootsbewegungen
ausgleichen. Das macht das Kochen ein wenig tricky. Der Kocher geht –
Aber dafür streikt seit heute Morgen das Bordklo. Werden die nächsten
Wochen zum Eimer greifen müssen. Langsam staune ich immer mehr, wieviel
an diesem doch so hervorragend instandgehaltenen Boot dennoch nach und
nach ausfällt.
Die Zeit wird mir langsam lang. Das habe ich damals mit Maverick nicht
so erlebt. Ich hab die Zeit allein auf dem Atlantik genossen, mich ab
und an mal zuhause gemeldet und alles war fein. Diesmal ist alles ein
wenig anders. Ich merke, dass ich eigentlich vielleicht doch ein
typischer, verschrobener Einhandsegler bin 😉 Denn dieser Törn kommt
mir nicht, wie damals die Reise, als Abenteuer meines Lebens vor,
sondern eher wie eine lange, laaaaange Überführungsfahrt.
Derzeit gibt es viele Dinge, an die ich Zuhause denken muss. So viele
wichtige Ereignisse, die in diesen Wochen passieren, wo ich gern dabei
wäre. Am meisten mache ich mir immer noch Sorgen um meine Freundin Cati,
die heute aus dem Krankenhaus entlassen wird. Es ist einfach nicht zu
entschuldigen, dass ich mich gerade in dieser Zeit hier draußen auf dem
Meer rumtreibe … In einer Woche feiert meine Mutter einen runden
Geburtstag. Noch ein wichtiges Event, das ich verpasse. Bald darauf
feiern meine beiden besten Freunde ihre Hochzeit und der viele
Zeitverlust und jetzt Gegenwind lässt es immer schlechter aussehen, dass
ich dann dabei sein werde. So ein Mist. Das wäre mir wirklich, wirklich
wichtig. Im Moment gibt es eigentlich nichts, das ich lieber möchte, als
in Lissabon an Land zu gehen. Die rauen Tage hier auf dem Nordatlantik,
der Gegenwind, das langsame Vorankommen, der fehlende Schlaf – und die
vielen, vielen Dinge, die ich gerne zuhause miterleben würde, nehmen
irgendwie gerade den Spaß am Segeln. An solchen Tage fragt man sich: Was
mache ich hier eigentlich?
Aber mal sehen, vielleicht wird das ja wieder besser …
Viele Grüße von hier draußen – vor allem nach Hause!
Euer Johannes
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