Da haben wir also erneut den Atlantik übersegelt. Zumindest fast, denn es fehlt natürlich noch das nicht gerade kleine Stück von den Azoren zum europäischen Festland. Je nach dem wie es das Wetter zulässt, werden wir direkt nach England oder Frankreich segeln. Etwa 1200 Meilen liegen vor uns, eine Strecke, für die wir etwa zehn Tage einplanen müssen. Vorausgesetzt, wir können Etmale von 120 Seemeilen ersegeln, wie es bei der Atlantiküberquerung letztes Jahr der Fall war. Während wir damals eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 5 Knoten hatten, waren es dieses Mal nur 4,2. Für die Strecke von 3001 Seemeilen haben wir 29 Tage und 14 Stunden gebraucht, was ein durchschnittliches Etmal von 101,4 Seemeilen ergibt.
Soviel zu den Zahlen. Sie lassen erahnen, dass wir ziemlich viele Flautentage hatten. Nerven strapazierende Flautentage. Obwohl es manchmal schön ist, sich nicht um die Segel oder das Boot kümmern zu müssen, in der Sonne zu lesen oder in Ruhe Wartungsarbeiten durchzuführen und dabei das Werkzeug ganz einfach ablegen zu können, ohne Angst haben zu müssen, dass es direkt über Bord geht, sind solche Flautentage größtenteils vor allem eins: anstrengend.
Eine Schule von Delfinen besucht uns mitten auf dem Atlantik.
Eine Schildkröte in der Flaute.
Der ganze Nordatlantik war übersät von Portugiesischen Galeeren.
Delfine, Delfine!
Ein leerer Treibstoffkanister. Wir haben viel Müll herumtreiben sehen.
Johannes taped die Scheuerstellen des Großsegels ab.
Das unendliche, tiefe Blau des Ozeans.
Kaffee. Der Höhepunkt des Tages.
Selfie auf dem Atlantik.
Spiegelglatte See. Hinten …
… und vorn.
Da wäre zum einen die Geräuschkulisse. Eine Flaute ist unglaublich laut. Auch wenn das Wasser spiegelglatt ist und sich kein Lüftchen regt, steht immer noch ein leichter Schwell auf so einem großen Meer. Dadurch wird das Boot hin und her geworfen und der Baum schlackert trotz Bullenstander nur so hin und her, die Segel rucken ein und knallen, dass es einen regelmäßig zusammenzucken lässt. Die Angst um die Stabilität des Riggs ist in einer Flaute teilweise größer als bei starkem Wind.
Und dann ist da natürlich auch die mentale Belastung: es geht und geht nicht voran. Der Bug zeigt oftmals in die falsche Richtung und obwohl man weiß, dass das Boot nur unwesentlich in die falsche Richtung driften wird, belastet es doch irgendwie, wenn der Plotter auf einmal noch 2000 Tage für die Strecke vorsieht. Und ich schwöre, dass man bei jedem Rundumblick alle paar Minuten genau sieht, dass man nicht voran gekommen ist und immer noch in dem selben Gebiet ist, dass man beim letzten Ausblick gesehen hat. Mir ist natürlich klar, dass man auf so einer Atlantiküberquerung nicht wirklich verschiedene Gebiete ausmachen kann und die Tage sich ausschließlich durch das Wetter, die Temperaturen und die Tierwelt unterscheiden und dennoch …
Weil wir die Befürchtung hatten, dass wir aufgrund des Azorenhochs die letzten Meilen vor der Insel Faial werden motoren müssen, wollten wir den Motor nicht zu oft anschmeißen, um unseren wertvollen Sprit zu sparen. Immerhin konnten wir abends immer ein aufwändigeres Essen machen mit viel Geschnibbel und mehreren Töpfen, wozu uns bei viel Lage oftmals die Geduld fehlt.
Unsere Route über den Atlantik. Zum Anklicken.
Insgesamt war die Segelei auf dieser Strecke sehr viel angenehmer als auf dem Hinweg. Wir hatten kaum Squalls, mussten selten plötzlich die Segel ändern, das Boot lag stabiler in den Wellen, weil wir einen Halbwind- oder Raumwindkurs, also Wind von der Seite oder von schräg hinten, segeln konnten statt mit Wind von hinten, der das Boot auf den Wellen ständig von einer Seite auf die andere rollen lässt. Das hängt auch damit zusammen, dass Johannes einen so südlichen Kurs ausgewählt hat. Dadurch wurden wir von dem meisten Tiefdruckgebieten verschont und hatten den Wind nicht von vorne, was das Segeln sehr nass und unkomfortabel macht.
Cati liest Johannes aus einem Buch vor.
Die Dirk hat gescheuert und wir haben es verpasst, rechtzeitig die Scheuerstelle zu versetzen.
Der weite Ozean. 1500 Meilen von jeder menschlichen Ansiedlung.
Was für ein Erlebnis.
Reispfanne. Die frischen Sachen halten etwa zehn Tage.
Neuer Steuerleinen für die Monitor-Windsteueranlage.
Ein Frachter kreuzt unseren Kurs.
Trotzdem konnte ich die Überquerung nicht so sehr genießen, wie es auf dem Hinweg der Fall war. Eigentlich die ganze Zeit wollte ich einfach nur ankommen. Vielleicht liegt es daran, dass auf dem Hinweg die Atlantiküberquerung selbst ein großes Teilabenteuer und, vor allem, neu war. Dieses Mal fühlte sie sich eher an wie eine lästige Strecke, die es auf dem Weg zu den Azoren nun einmal zu überwinden gilt. Natürlich gab es auch wieder Momente, in denen man mit Staunen stundenlang draußen sitzt, das unendliche Blau bewundert, die vielfältige Tierwelt mit Unmengen an Vögeln, Quallen, Delfinen und unterschiedlichen Fischen und Walen. Momente, in denen man ins Denken kommt. Aber ich bin im Gegensatz zu der ersten Atlantiküberquerung nie an den Punkt gekommen, dass ich einfach hätte weiter segeln können und Stunden und Tage unerheblich sind. Der dominierende Gedanke war immer: „Wann sind wir endlich da?“
Wenn ich das selbst lese, kommt es mir irgendwie traurig vor. Vielleicht liegt es daran, dass unsere Gedanken und Gespräche so sehr um unser neues Abenteuer, unseren Charterbetrieb in den Bahamas, kreisen und dass wir uns beide unendlich auf unsere Familien und Freunde freuen. Die Aussicht, dass wir bald wieder unterwegs sein werden, lässt die kurze Zeit, in der wir in Deutschland sein werden, umso kostbarer erscheinen.
Und dann war da ja auch noch unsere Sturmerfahrung. Fünf Tage vor den Azoren haben wir von unserer Freundin Jessica die Nachricht bekommen, dass wir einem Tiefdruckgebiet nicht werden ausweichen können. Aufgrund unsere sehr südlichen Kurses blieb der Wind mit 45 Knoten noch erträglich, allerdings sind die großen Wellen aus dem Zentrum des Sturmes bei uns durchgelaufen. Sechs bis acht Meter sollen sie hoch gewesen sein und auch, wenn es immer schwer zu schätzen ist, glaube ich das sofort. Im Nachhinein erscheint solch eine Erfahrung gar nicht so schlimm, insbesondere, wenn man auf einer so landschaftlich tollen Inselgruppe wie den Azoren ankommt und von vielen netten Seglern empfangen wird. In der Situation selbst gab es Stunden, in denen ich mir sicher war, dass ich nach den Azoren keine Meile weiter segeln werde. Am schlimmsten war für mich der zweite Sturmtag mit dem Wissen, dass nach einem Tag und einer Nacht noch nicht mal die Hälfte hinter uns liegt. Auch wenn ich keinen Zweifel daran hatte, dass wir ankommen und das Wetter überstehen werden, hatte ich einfach nur Angst. Ich habe während meiner Wache Stunden damit verbracht mir gut zuzureden und selber Lieder vorzusingen um mich zu beruhigen. Gut, dass Johannes in der Zeit etwas Schlaf finden konnte 😉
Angekommen auf den Azoren haben wir haarsträubende Geschichten gehört von anderen Seglern, die schlimmeres Wetter hatten oder die Bruch erlitten haben. Das nordet ein. So schlimm war es doch gar nicht …
Der Wind dreht auf und die Wellen gehen hoch. Cati hat Wache …
… und wir sitzen immer abwechselnd im Cockpit, um im Notfall von Hand steuern zu können.
Dicke Wolken haben Tage vorher schon den Wetterumschwung angekündigt.
Johannes steuert von Hand auf Horta zu.
Dort ist die Insel Fatal zwischen den Wolken zu erkennen.
Weiße Kappen auf den Wellen. Noch immer bläst es mit über 30 Knoten.
Wir haben das Groß geborgen und laufen nur unter Genua ab.
Kurzes Unter-Deck-Selfie.
Johannes setzt die portugiesische Flagge. Bereit zum Ankommen.
Die Quarantäneflagge flattert ebenfalls schon.
Die Atlantiküberquerung hat uns an unsere körperlichen und mentalen Grenzen gebracht. „Maverick“ war das so ziemlich egal. Sie ist ein fantastisches und seetüchtiges Schiff. Sie mag in den Wellen knacken und ächzen und auch hier und da etwas Wasser machen, aber sie ist in viel sowie wenig Wind ein wahrer Haudegen und hat sich nicht einmal beschwert. Der Gedanke daran, dass wir bald nicht mehr auf ihr wohnen werden, treibt mir die Tränen in die Augen. In erster Linie bin ich aber dankbar. Dass wir sie gewählt haben. Dass sie uns zweimal sicher über den Atlantik gebracht hat. Dass sie allen, die gesagt haben, dass unser Schiff eine Baustelle und unsere Fahrt mit ihr unverantwortlich sei, das Gegenteil bewiesen hat. „Maverick“, du feine Lady, ich hab ein Herz für dich …