Längst schon wollte ich einen neuen Bericht geschrieben haben…
Also hier nun, was in den letzten 1,5 Wochen alles passiert ist:
Von Dover aus sollte es am Mittwoch den 8. August über die Straße von Dover hinüber nach „Europa“ gehen. Gegen 14 Uhr verließen wir den Hafen und ließen uns mit dem Strom gen Osten schieben, nahmen zunächst Kurs auf Gravelines in Frankreich, um den Kanal so schnell wie möglich zu überqueren, aber gleichzeitig nicht den selben Kurs über den Kanal zu haben wie die Fähren zwischen Dover und Calais. Ich hatte schon viel über den englischen Kanal gehört und gelesen, viele Horrorgeschichten über den irrsinnig starken Tidenstrom und den heftigen Verkehr gehört, aber es war alles sehr viel einfacher als zunächst gedacht. Der Strom schob uns zusätzlich mit 2 Knoten, während wir ständig den Frachtern auswichen, die tatsächlich wie auf einer Autobahn eingereiht erst aus Osten, dann auf der anderen Seite aus Westen angedampft kamen.
Um Meilen zu machen und Frankreich zu umgehen hatten wir uns bereits am Tag zuvor entschieden, nach dem Passieren des Kanals auf Kurs Ost zu gehen und in die Nacht hinein zu segeln, um am nächsten Morgen Holland zu erreichen. Das Wetter war einfach traumhaft schön an diesem Abend, die Sonne ging langsam am Horizont unter, der Wind schob uns mit 2-3 Bft von Westen und zur Unterstützung ließen wir zusätzlich den kleinen 9 PS starken „August“ unter dem Cockpitboden mitrattern, während der Pinnenpilot „George“ uns mit einem gleichmäßigem Zirpen in die Nacht hinein steuerte.
Zum Abendessen gab es einen Topf Nudeln mit Tomatensauce (ganz a’la Maverick), den Nick mangels einer kardanischen (also den Wellengang ausgleichenden) Aufhängung des Kochers selbst im Seegang ausglich. Heißhungrig machten wir uns über das gar vorzügliche Essen her und konnten fast selbst nicht glauben, wie solch ein simples Essen auf See so viel besser schmecken kann.
Nach dem Essen ging ich gegen neun Uhr in die Koje, um zwei Stunden Schlaf im Vorraus zu nehmen, bevor meine erste Wache von 23 – 1 Uhr dran ist. Obwohl ich zwei Stunden Zeit zum Schlafen hatte, stellte ich mir doch jede Stunde einen Wecker, um die aktuelle Position in die Karte einzutragen und kurz nach dem Rechten zu sehen. Immer noch besser als die 30 – 45 Minuten Wachtakte auf Maverick.
Gegen 23 Uhr löste ich Nick im Cockpit ab und wurde von herrlich phosphoreszierendem Kielwasser und einem gigantischen Sternenhimmel an Deck begrüßt. Mit ein paar Mandrinen in der Ölzeugtasche setzte ich mich auf die Luvbank, klinkte mich in den Sicherheitsgurt im Cockpit ein und stellte mich auf eine ruhige Nacht ein. Weit gefehlt!
Während Nick es sich in seiner Koje gemütlich machte, musste ich draußen Slalom um Schiffe, Radartower und UFO’s (Unidentified Floating Objects) fahren, während der Wind immer mehr zunahm, auf Nord drehte und damit auch immer größere Wellen auf uns zu schob. Zeitweise musste ich den Autopiloten „George“ an der Pinne ablösen, weil er es nicht mehr schaffte, den Kurs so hoch am Wind zu halten. Dennoch ließ ich Nick statt seinen zwei Stunden sogar etwas mehr als drei Stunden schlafen und weckte ihn erst gegen 2 Uhr morgens, als der Verkehr etwas abebbte. Unter Deck hatte er bereits einiges von dem schweren Seegang erfahren und konnte sich nun auch an Deck ein Bild davon machen, was es heißt mit einem nur 7,77 Meter langen, aber ganze 3,5 Tonnen (!) schweren Boot gegen hohe, kurze Wellen anzuboxen. Während Maverick zumindest noch über die meisten Wellen herübergeglitten wäre, so ging Constellation immer gnadenlos mittendurch. War mir jedoch in dem Augenblick egal – der Verkehr war weg und ich konnte in die Koje.
Etwas mehr als eine Stunde später änderte Nick den Kurs und ich stand sofort wach im Cockpit. Erstaunlich, dass ich das immer noch in mir drin habe. Der Wind hatte weiter zugenommen und wir konnten Ijmuiden, das wir als nächsten Hafen eingeplant hatten, nicht mehr anliegen. „Dann versuchen wir, nach Vlissingen durchzukommen!“. Eine weitere Stunde später war es gegen 4 Uhr morgens und ich war wieder mit der Wache dran. Weitere drei Stunden lag ich verkeilt im Cockpit, wurde immer wieder von brechenden Wellen eingedeckt, während ich mich an den Sitzbänken festklammerte und fühlte mich zeitweise in die erste Etappe mit Maverick zurückversetzt, wie ich fünf Tage nass, kalt und frierend auf dem Cockpitboden saß und einen Sturm abwetterte, der mich bereits das Großsegel gekostet hatte. Kaum zu glauben, wie ich das damals gemacht habe, nun waren es erst einige Stunden, in denen schlechtes Wetter herrschte und doch war ich bereits ziemlich ausgelaugt. „Hatte ich mir damals nicht gesagt: ‚Nie wieder so ein Schiet mit einem so kleinen Boot‘? Und was mache ich nun hier?“
Gegen 7 Uhr löste mich Nick wieder im Cockpit ab und ich verkroch mich in die Koje. Mittlerweile waren die Wellen bis zu 7 Meter hoch und brachen ständig über das Boot hinweg. Irgendwie fand ich dennoch ein wenig Schlaf, merkte aber, wie mir das Wasser, das durch unzählige Lecks an Deck im Schlaf über die Hand lief. Gegen halb neun war ich wieder an Deck „Nick, es scheint mir so, als würden wir Holland heute doch noch nicht erreichen. Obwohl es mich wundert, denn das Boot hat mindestens genausoviele Löcher wie ein holländischer Käse!“
Inzwischen lag Zeebrügge (Belgien) nur noch ein paar Meilen voraus und wir entschlossen uns, dem Gehüpfe ein Ende zu bereiten. Auch der Autopilot hatte bereits keine Lust mehr und lag piepend auf dem Fußboden, offenbar kaputt 🙁 Also rein in den Hafen!
Eine Stunde später lagen wir im ruhigeren Wasser des großen Verladehafens und eine halbe Stunde später im Zeebrügger Yachthafen. Nick fiel augenblicklich in die Koje und schließ wie ein Stein. Ich dagegen wollte mir ein wenig vom Ort ansehen, ging erstmal ausgiebig duschen (wobei sich meine Hände vom Salzwasser aufzulösen begannen…), und machte mich auf die Suche nach einem Cafe, in dem ich frühstücken könnte. Das Ergebnis: nach einigen Kilometer zu Fuß und gut und gerne 15 Restaurants fand ich KEIN EINZIGES, das Frühstück servierte. Dafür aber einen SPAR-Markt, kaufte Baguette, Saft und Wurst und machte mir mein eigenes Frühstück auf einer Bank am Hafen unter den verwunderten Blicken einiger Passanten.
Was nun? Schlafen? Nööö! – Ich wollte etwas sehen und da war ich in Zeebrügge genau richtig. Denn dort liegt ein altes, russisches Diesel-U-Boot und ein altes Feuerschiff, das man besichtigen kann. Als ich gegen 14 Uhr zurück zum Boot kam, übte Nick gerade wieder frisch ausgeschlafen den aufrechten Gang.
Zusammen setzten wir uns in die Straßenbahn nach Blankenberge, einer großen Touristenmetropole. Nach einer Sightseeing-Tour und einem Abendessen ging es zurück nach Zeebrügge zum Boot. Dort unterhielten wir uns über die weiteren Pläne. Da Nick an keinen Zeit- oder Routenplan gebunden ist, fiel uns die weitere Planung nicht schwer: Da für die gesamte folgende Woche starker Nordwind angesagt ist, also keine Chance weiter gegenan zu kommen, ich aber gegen Ende der Woche bereits wieder zurück in Deutschland sein musste, warfen wir die Planung komplett um. Das nächste Ziel: Vlissingen in Holland. Von dort: Die „standing-mast-route“ quer durch Holland! So kann Nick noch etwas mehr von Holland sehen und einige Wochen unter Motor, aber mit stehendem Mast durch die vielen Seen und Kanäle tuckern, bis er in Delfzijl wieder in die Nordsee gelangt und von dort nach zwei Tagestörns weiter nach Hamburg.
Am Abend unterhalten wir uns mit einem Briten über seine Pläne, der sofort auf seinem Boot verschwindet und kurz darauf mit einem riesigen Stapel Seekarten zurück ist, die er Nick schenkt. Damit liegt der Weiterfahrt nichts mehr im Wege!
Am nächsten Morgen legen wir gegen Mittag mit dem Tidenstrom im Nacken ab und erreichen 4 Stunden später bereits Vlissingen, schleusen uns in den Binnenhafen hoch und machen in einem kleinen Yachthafen fest. Nicht weit davon finden wir einen Bahnhof und damit die Gelegenheit für mich, nach Rotterdam zu kommen und von dort zurück nach Deutschland. Schon von Belgien aus hatte ich mir ein Busticket nach Hause gebucht (Für nur 43 Euro!) und so
machten wir noch eine letzte gemeinsame Besichtigungstour durch das schöne Vlissingen (das im englischen „Flushing“ heißt, wie ein Stadtteil von New York), sahen uns den Hafen an, aßen holländische Pommes und tranken Heineken, bevor es für mich am nächsten Morgen nach Hause gehen sollte, während Nick sich über die Kanäle auf den Weg nach Amsterdam macht.
Am nächsten Morgen half mir Nick noch, meine zwei Reisetaschen voller Klamotten und Ausrüstung, meinen Seesack voller Ölzeug und die schwere Rettungsinsel nach Rotterdam zu karren, wo ich mich in den Bus setzte und 9 Stunden später in Hamburg ankam.
Hinter uns liegen knapp 240 Meilen in vier Segeltagen. Kein schlechter Schnitt für ein so kleines Boot. Eine schöne, aber zugleich sehr anstrengende Zeit. Aber wie sagt man doch? „Adventure is never much fun, while it’s happening“ – Aber damit meine ich nicht, dass es keinen Spaß gemacht hat, im Gegenteil, es war wirklich schön, wieder einmal unterwegs zu sein und ein Stückchen mehr von dieser Welt zu sehen 🙂
Wie es mit Nick weitergeht, können Sie HIER verfolgen
Hier nun ein paar Fotos:
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