Chers lecteurs,,
le manuscrit de notre livre dépassait largement 500 pages lorsqu'il a été soumis. Uhr in. Cela aurait été un très gros tome, der dann im Seegang womöglich aus dem Schapp gerutscht und den überraschten Segler hinterrücks erschlagen hätte 😉 Also war das Lektorat einige Wochen lang damit beschäftigt, den Text auf 320 Seiten einzukürzen.
Die Qualität hat darunter nicht gelitten, denn oftmals ist es einem Buch ja sogar zuträglich, wenn es etwas eingedampft wird. Aber trotzdem sind dabei natürlich eine Menge Geschichten verloren gegangen, die wir euch nicht vorenthalten wollten. Deshalb werden wir versuchen, hier ab und an eine unerzählte Anekdote zu posten.
Wir beginnen mit einem Text, den ich während der Rückfahrt über den Nordatlantik zu tippen begonnen habe. Eigentlich sollte es ein Blogeintrag werden. Dann habe ich ihn fürs Buch aufgehoben. Und nun ist es letztlich doch ein Blogeintrag geworden: “Der Damokles-Kohl”.
Bonne lecture!
John
Aus dem originalen Buchmanuskript, Page 463:
Der Damokles-Kohl
Bis zum achten Tag der Atlantiküberquerung hat Cati nicht versucht mich umzubringen. Dann kam der Tag, an dem der Kohl weg musste.
„Ich habe einen Kohl gekauft“, erzählte sie mir noch vor neun Tagen freudig, als sie vom letzten Einkaufstrip zum Supermarkt zurückkam. „Toll“, sagte ich. „Ein Kohl. Weißt du denn, was man damit macht?“ – „Na klar! Ich könnte zum Beispiel Krautsalat machen.“ Eigentlich nutzte sie sogar das Wort „Coleslaw“, schließlich waren wir in Amerika. „Oder ich mache … sonstwas damit.“ – „Notfalls malen wir ein Gesicht darauf und nennen ihn Wilson“, scherzte ich, mit Verweis auf Tom Hanks selbstgebastelten Freund in dem Kinofilm Castaway.
Ein Platz für die grüne, Footballartige Knolle mit den ledrigen Blättern war schnell gefunden. Über meiner Koje, bien sûr, denn dort hatten wir eine kleine Hängematte montiert, in der allerlei frisches Gemüse gelagert werden sollte. Noch am selben Abend begann meine Beziehung zu der Pflanze, als ich in die Koje klettern wollte. Um dorthin zu gelangen, musste ich das pralle Netz ein wenig zur Seite drücken. Als es zurückschwang, bekam ich eine gehörige Kopfnuss, dass ich kurz kleine Sternchen um meinen Kopf tanzen sah. Na clair, der Kohl. Je ne savais pas, dass die Dinger so eine harten Strunk haben. Seitdem baumelt das Ding dort über mir und verpasst mir bei jeder Gelegenheit einen Schlag in den Nacken. Mindestens jedoch bei jedem Wachwechsel. Diese garstige Knolle. Immer wieder schwärmte Cati die letzte Woche über ihren Kohl. „Der ist total umkompliziert, man muss ihn nicht mal dunkel oder trocken lagern“, sagte sie. Doch was sie genau damit vorhatte, das wussten wir beide noch nicht. „Wenn das Ding ein bisschen weicher wäre, könnte man es wenigstens als Kissen benutzen. Oder ein Leck damit abdichten“, scherze ich wieder. „Oder damit nach Piraten werfen.“
Eine Woche später waren die Vorräte im Netz deutlich ausgedünnt. Die Äpfel und Bananen waren für Obstsalat draufgegangen und die Avocados zu Guacamole verarbeitet. Die Tomaten hatten wir kurzfristig anderweitig unterbringen müssen, denn durch die Reduzierung der Vorräte und des Gewichts im Netz wurde selbiges zuletzt antiproportional in immer größere Schwingungen versetzt. Die Gravitation wurde nur mehr Herr der Lage und so klatschten Kohl und Tomaten immer wieder gegen die Innenschale der Kajüte, genau über meinem Kopfende.
„Wir müssen uns was anderes für die Tomaten einfallen lassen“, war mein Einwand gestern früh, sonst wache ich eines Tages mit Ketchup im Gesicht auf. Also wanderten die Nachtschattengewächse in die Tiefen des mit fortschreitender Reise ebenfalls radikal erleichterten Kühlschranks. Nur er blieb da, und schwang weiterhin bedrohlich wie ein Schwert über meinem Kopf. Der Damokles-Kohl.
„Die Dinger stecken voller Vitamine und halten ewig“, freute sich Cati gestern wieder einmal. Das ist schön, denke ich mir. Aber langsam würde ich den doch gern mal weghaben. Und Außerdem: Vitamine sind immer gut.
Heute war nun der Tag, an dem der Kohl sein Ende finden sollte. Schon am Nachmittag wurde er gerupft und in einer Schüssel gebadet. „Er war schon ein bisschen schlapp“, erklärte mir Cati mit trauriger Miene, „deshalb habe ich ihn im Wasser eingeweicht. Durch die osmotische Wirkung wird er dann wieder richtig knackig.“ Für mich, der Bio in der zehnten Klasse abgewählt aber mit Osmose an Schiffen so manche Erfahrung hat, ist es ein wenig schwierig, eine Parallele zwischen dem faserigen Kohl und dem glatten Rumpf herzustellen. „Da wirst du schon recht haben“, fällt mir nur ein.
Nach aller Skepsis überzeugt mich das Ergebnis von Catis Kocherei am Abend aber vollauf: Der Kohl ist unheimlich lecker. Zusammen mit Sojasauce, Zwiebeln, Chicken und Möhrenstiftchen verzehren wir den Blätterkram als Chinanudeln. Frisch, knackig, gesund. Ich bin begeistert. Zunächst.
Inzwischen sind ein paar Stunden vergangen. Cati liest unter Deck, will sich bald bettfertig machen – ich liege an Deck und habe Nachtwache. Über mir stehen Milliarden von Sternen. Der Mond ist gerade als schmale Sichel im Atlantik versunken, deshalb sind die Gestirne jetzt noch viel besser zu sehen. Da ist der große Wagen und an der Deichsel der leuchtende Stern „Mizar“, so heißt das Boot meines Vaters. Wow, auf der anderen Seite ist die Milchstraße wieder groß und breit erkennbar. Was für ein herrliches Bild.
Plötzlich beginnt es zu rumpeln. Wieder eines dieser Höhengewitter, Je pense que, die uns schon seit Tagen mit Blitz und Donner verfolgen. Die Vibrationen des Donners gehen durch Mark und Bein. Obwohl … Wenn ich genau darauf achte, eigentlich eher durch Magen und Darm. Aua, was baut sich denn da auf? Ob das der osmotische Druck ist, von dem Cati gesprochen hat? Hätte ich Bio mal nicht abgewählt, dann wüsste ich, was jetzt zu tun wäre. Mir gehen bei bei Osmose immer nur Epoxy und Glasmatten durch den Kopf.
Ehe ich realisiere, was mit mir da gerade geschieht, entlädt sich die Rache des Kohls in das blaue Kapokkissen. Oder nein, so weit kommt es nicht. Denn davor liegt als Sperrschicht die Ölzeughose. „Atmungsaktiv“, stand auf dem Label. Und das war es auch immer. Da ich mich mit Osmose und sonstigen Durchlässigkeiten nicht auskenne, habe ich es mir immer ähnlich eines Doradekastens vorgestellt: Luft kommt von außen durch, aber Wasser bleibt draußen.
„Daff ifff auch keine Offfmose, dafff ifff Diffusion!“ ruft Cati gerade mit der Zahnbürste im Mund aus der Kabine, im Seegang balancierend. Und fügt hinzu: „Glaube ifff“ Gefährliches Halbwissen – und kein Wikipedia hier auf See, um es nachzuprüfen. Sie spuckt die Zahnpasta ins Waschbecken und strahlt: „Siehste, der Kohl bringt uns hier auf Intellektuelle Diskussionen über biologische Zusammenhänge.“
Ich glaube tatsächlich, dass mein akutes Problem mit Biologie zu tun hat. Damals im Biounterricht habe ich in den Klausuren unter jede Frage die Antwort „Das kommt durch Photosynthese“ geschrieben. En 50 Prozent der Fälle hatte ich damit sogar Recht und bin so irgendwie durchgekommen. Mais die Sonne scheint hier gerade nicht. Trotzdem fühlt es sich an, als würden sich gerade ein paar Blätter in mir färben.
Und auch die Konstruktion der Ölzeughose macht mir gewisse Fournir. Ich stelle sie mir jetzt wie eine Art Rückschlagventil vor: Es ermöglicht, dass immer neue Luft von außen an den Körper gelangt – aber verhindert ausgerechnet, dass gewisse Gerüche duffundieren. Genau diese Einbahnstraße scheint mir nun zum Verhängnis zu werden. Denn eben jene Luft findet keinen Weg zum Entweichen. Stattdessen steigt sie der Länge nach die Latzhose hinauf, um dann genau dort auszutreten, wo ich meine Atemluft aufnehme. Irgendwas ist da doch falsch konstruiert.
Vor Monaten habe ich mich noch gefragt, warum uns SLAM neben den langen und mir wohlbekannten Ölzeug-Latzhosen auch kurze Ölzeughosen geliefert hat. „Das ist wahrscheinlich eine gute Sache in den tropischen Regengüssen. Puis, wenn man keinen Nassen Hintern bekommen möchte, aber mit nassen und gut gelüfteten Beinen einverstanden ist. Aber nun habe ich noch einen weiteren Grund für kurze Ölzeughosen gefunden: Die bessere Luftzirkulation.
„Hätte ich mal nicht so viele Witze über die alte Knolle gemacht“, jammere ich still, während der gährende Kohl in mir die Farbe von den Magenwänden zu beizen scheint. Zeitweise fühlt es sich an, als würde er Dünn- und Dickdarm auf links stülpen. Die ganze Nacht randaliert die krüppelige Pflanze in mir drinnen. Ich finde keinen Weg der Besserung, lasse das Elend die ganze Nacht über still jammernd über mich ergehen. Doch in den frühen Morgenstunden kommt mir eine Idee: Biologische Kriegsführung.
Und da gibt es ein altes Hausmittel, das seine Kraft aus der frischen Luft im Hochland der Anden zieht und mich niemals enttäuscht hat. Ich setze eine Kessel Wasser auf und koche mir eine Kanne frischen Kaffee. Einige Stunden später verkrümele ich mich kurz mit einer Zeitung ins Vorschiff – und schlagartig geht es mir besser.
Zeitgleich ist auch noch Wachwechsel. Cati scheint es blendend zu gehen. Die Rache des Kohls war wohl nur auf mich abgezielt. Vermutlich, weil ich dem Ding gegenüber so skeptisch gestimmt war und viele Witze gemacht habe. Aber ich habe überlebt. Es geht mir wieder gut. Glücklich wickele ich mich in meine Decke und freue mich über die vier Stunden Schlaf die vor mir liegen, den Schlaf des Gerechten.
Doch was ist das? Über meinem Kopf schwebt ein Kohl. Ein Kohl? Wo kommt der denn her? Er sieht aus wie der alte, nur etwas kleiner. „An den Dingern ist echt viel dran. Davon können wir noch ein oder zwei Gerichte kochen“, strahlt Cati.