Jetzt und dann

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Liebe Leser,

unsere letzte größere Etappe, bevor es über den Atlantik geht, liegt hinter uns und die 10.000ste Meile unserer Reise ist auch abgehakt. Damit wir von den Dry Tortugas nicht den gleichen Weg zurück nehmen mussten, haben wir uns für eine Rückfahrt zum Festland durch den Golf von Mexiko entschieden. Ziemlich genau in der Mitte von Florida liegt der Lake Okeechobee und ein dazugehöriger Kanal verbindet die Golfseite mit der Ostküste Floridas. Das gab uns nicht nur die Gelegenheit Ungesehenes zu bereisen, sondern auch noch einmal unsere Freunde Jessica und Matt zu besuchen, die in Indiantown gerade ihre Aluyacht vom Typ Trisalu 37 von Grund auf neu aufbauen.


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Jessicas und Matts Projekt „Daze Off“.

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Die beiden refitten auf dem knalleheißen Platz ihr Zuhause.

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Für uns sind definitiv Fortschritte zu erkennen. Seit neuestem hat „Daze Off“ zum Beispiel einen Wasserpass.

Ehrlich gesagt hatte ich mir beim Okeechobee-Waterway einen ziemlich verschnörkelten Kanal quer durch altes Indianerland vorgestellt: braunes, modderiges Wasser, verwunschene Bäume und seltsame Baumstümpfe, vereinzelt ist der Schrei eines Weißkopfadlers zu hören, ein Alligator checkt neugierig die Lage und sicherlich reitet auch mal ein Native-American vorbei. Die Fantasie kann schon mit einem durchgehen, wenn man Tage zuvor kein Internet hat und sich informieren kann 😉

Eigentlich war es aber doch fast genau so. Nur mit der Ausnahme, dass das letzte Stück um den See herum und weiter einem stinknormalen Kanal gleicht: Auf der rechten Seite auf der Hauptstrecke ein riesiger Deich, an dem alle paar Meter Bauarbeiten durchgeführt werden und links der große See Okeechobee, über den man nicht so einfach segeln kann, wie man lustig ist, denn er ist in großen Teilen von Schilf überwuchert. Wir sind stundenlang auf dem Okeechobee unterwegs gewesen, ohne die offene Seefläche überhaupt sehen zu können. Wenn vorher nicht hier und da ein paar Palmen am Ufer gestanden hätten, man hätte im Nord-Ostsee-Kanal unterwegs sein können: Überall Felder, sogar grasende Kühe. Schon schön. Aber eben auch nicht besonders spektakulär. Alligatoren haben wir allerdings trotzdem gesehen und Vogelschreie gab es ohne Ende. Vor allem in der letzten Nacht, in der wir in einem dschungelähnlichen Nebensee des Okeechobee geankert haben. Da muss der Nord-Ostsee-Kanal noch ein bisschen dran arbeiten.

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In Amerika werden die Boote bei Nichtbenutzung aus dem Wasser gehoben, damit sie keinen Bewuchs ansetzen. Hier zum Beispiel mal ein Katamaran.

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Unsere erste Nacht auf dem Okeechobee-Waterway verbringen wir an einem kostenlosen Dock in LaBelle. Auf „Mavericks“ schiere Größe waren sie offenbar nicht eingestellt. Zum Glück bleiben wir die einzigen Übernachtungsgäste und können uns quer vor zwei Boxen legen.

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Brücken, Brücken, Brücken.

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Eine Eisenbahnbrücke, die nur geschlossen ist, wenn ein Zug kommt. Das ist natürlich der Fall, als wir passieren wollen. Der schwer beladene Zug braucht fünf Anläufe, um über die kleine Anhöhe zu kommen. Wir drehen in den knapp 45 Minuten Kreise.

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Die Mayaca-Railroad-Bridge könnte etwas zu niedrig sein …

Die größte Herausforderung waren die vielen Brücken – und das aus zweierlei Gründen. Zum einen ist es für einen deutschen Muttersprachler gar nicht so einfach die Brückennamen wie Mayaca oder eben Okeechobee (sprich: Okitschòhbie) ohne Blamage richtig betont auszusprechen, dass der Brückenwärter sich über Funk auch angesprochen fühlt. Zum anderen herrscht gerade Hochwasser im Kanalsystem, was die Durchfahrtshöhe der ohnehin schon niedrigen Brücken noch einmal minimiert. Nach zwei Tagen im Okeechobee-Waterway dämmerte es uns, dass eine Eisenbahnbrücke uns zum Verhängnis werden könnte. Im Gegensatz zu den sonst gängigen Klapp- und Schwingbrücken war sie eine Brücke zum Heben. Mit dem aktuellen Wasserstand ergab es eine Duchfahrtshöhe von 49,2 Fuß. Wir hatten immer angegeben, unser Mast sei etwa 50 Fuß hoch, genau wussten wir das aber nicht. Bei den anderen, festen Brücken von 53 Fuß Höhe war immer genug Spiel. Wir hatten den Mast zwar mal gemessen, aber das war damals, in Deutschland. Jetzt waren auch noch unsere Tanks leer, sodass wir noch höher im Wasser lagen …

Es gab daher nur wenige Möglichkeiten: Den ganzen Weg zurück oder hoch und erstmal die Antennen abbauen. Wir haben uns dafür entschieden, dass Johannes erst mal guckt, ob wir nicht doch durchpassen  – und zwar oben auf der Mastspitze.

Kurz danach gab es ein Wiedersehen mit Jessica und Matt, die wir schon von Miami aus mit dem Mietwagen besucht hatten. Die beiden leisten wirklich großartige Arbeit an ihrem Boot. In den wenigen Wochen, in denen wir sie und das Boot nicht gesehen haben, haben sie sichtbaren Fortschritt gemacht. Die beiden sind schon seit 10 Monaten nonstop mit dem Refit beschäftigt. Jeden Tag. Mittlerweile brennt die Sonne in Florida schon ziemlich stark, was die Arbeit erschwert. Als wir im Winter im eisigkalten Deutschland an „Maverick“ rumgebastelt haben, habe ich mich manchmal mit der Baustelle in die Tropen gewünscht. Dabei wusste ich nicht, wie anstengend das wäre. Ich habe ehrlich und wahrhaftig manchmal schon genug damit zu tun, einfach bei der Hitze zu überleben … Ihren Blog könnt ihr HIER verfolgen.

Das Dorf Indiantown liegt mitten im Nirgendwo und es ist verblüffend, wieviele Yachten hier liegen. Mehrere hundert. Die meisten hurrikanfest verzurrt, viele bereits seit vielen, vielen Jahren. Einigen Booten ist sogar gut anzusehen, dass große Reisen hier in Indiantown endeten. Wir haben sogar zwei Yachten aus deutschsprachigem Raum gefunden, aus Basel und Stuttgart. Beide liegen sicher schon fünf, sechs Jahre hier. Andere Boote werden hier wieder zum Leben erweckt und refittet. In jedem Fall ist es in interessanter Ort.

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Eine Westsail 32. Mit so einem Boot hat Johannes 2009 den Atlantik von West nach Ost bis zu den Azoren überquert.

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Andere Boote sind in weniger gutem Zustand.

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Aus der Entfernung sieht es so aus, als habe es einen Brand gegeben. Von nahem ist es dann doch „nur“ Dreck aus der Luft.

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Sogar eine Contest gibt es hier in Indiantown.

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Dieser Katamaran war wohl mal eine Schönheit, vor allem ganz schön teuer.

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Dieses Boot hat offensichtlich eine Reise aus Basel hinter sich.

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Immerhin gegen die Kräfte eines Hurrikans verzurrt.

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Ein Boot aus Deutschland.

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Noch ein Boot aus Deutschland. Etwas besserer Zustand.

Wie es so ist, wenn „Kids“ aufeinander treffen, haben wir lustige und vielleicht auch alkoholgeschwängerte Abende miteinander verbracht, amerikanische Burger und Pizza vernichtet und Matt und Jessica unser Roti aufgezwungen. Heute ist unser letzter gemeinsamer Abend. Mal wieder Abschied nehmen. Dann geht es weiter zu unserem Stammankerplatz nach North Palm Beach, an dem wir uns ideal für die Atlantiküberquerung verproviantieren können und auf ein geeignetes Wetterfenster warten wollen. Außerdem müssen wir dringend unsere Gasflaschen neu befüllen lassen. Auf dem Okeechobee hat unser Vorrat schlapp gemacht. Seitdem kochen wir unterwegs auf dem Heckkorbgrill. Wenn Johannes morgens zum Kaffeekochen den Grill anwirft, fühlt er sich wie ein Cowboy. Es ist etwas komplizierter, die europäischen Gasflaschen in Amerika befüllen zu lassen. Wir haben zwar einen Adapter von einem System auf das andere, aber nicht jeder „Gaswart“ traut sich an diese Konstruktion heran. Vermutlich auch zurecht. Hoffentlich können wir noch jemanden auftreiben, der es da nicht ganz so genau nimmt, ansonsten gibt es für uns nur Cornflakes und H-Milch. So haben Jessica und Matt den Atlantik gen Westen überquert, weil sie in Europa mit ihren amerikanischen Flaschen das gleiche Problem hatten. Wir hoffen, dass wir Anfang Mai starten können.

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Die Gewürzmischung fürs Roti. Diesmal nur halb so viel, damit es nicht zu scharf wird.

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Jessica und Cati, zur Feier des Tages in sauberen Klamotten. Und Ricky.

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Johannes war auch dabei. Und Ricky.

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Jessica und Matt. Und Ricky.

Und dann?

Immer wieder bekommen wir noch neue Mails zu unserem Blogeintrag „Am Scheideweg„, in dem ich unsere Schwierigkeiten aufgedröselt habe, die wir damit hatten, uns zu entscheiden, wie unsere Reise und unser Leben weiter geht. Offensichtlich ist die Entscheidung im direkt folgenden Blogeitrag „Welcome to Miami“ nicht eindeutig genug gewesen: Wir haben uns entschlossen, erstmal kurz nach Hause zu kommen. Wir bringen „Maverick“ über den Atlantik und machen den Atlantik rund. Also Option A.

Allerdings, und das ist das eigentlich Spannende, habe ich auch angedeutet, dass noch viele Dinge im Entscheidungsprozess sind und sich neue Möglichkeiten eröffnet haben. Mit der Rücküberführung von „Maverick“ endet auch schon Option A, die vermeintliche Sicherheitsoption. Alles, was daran Sicherheit gibt, lassen wir einfach mal aus und ich kann euch sagen, wir haben ganz schön Schiss!

Denn Option F, ein Charterbusiness aufzumachen, ist in ganz anderem Ausmaße in den Fokus gerückt. Diese Variante erschien uns erst unrealistisch, ganz einfach, weil sie mit unserer jetzigen „Maverick“ nicht umzusetzen wäre. Wir hatten überlegt, ob es möglich wäre, unsere treue „Maverick“ zu verkaufen, eine abgehalfterte (und damit günstige!) Charteryacht (mit drei Kabinen) zu erwerben und damit euch Blogleser mit zu unseren schönsten Orten zu nehmen. Doch das hieß dem normalen, sicheren Leben in Deutschland erstmal für eine Weile „Lebwohl“ zu sagen und der Schritt war uns zu groß. Doch jetzt nimmt diese Option auf einmal Form an und alles fließt irgendwie ineinander, jede Tür geht auf. Freunde haben uns ein großartiges Angebot gemacht und wir haben mit einem Mal die Chance, mit einem wunderschönen, großen Boot einen Charterbetrieb auf den Bahamas zu eröffnen. Wir sind sehr, sehr aufgeregt und freuen uns darauf, in ein paar Tagen hoffentlich mehr dazu bekannt geben zu können. 🙂

Cati