Chers lecteurs,,
ein bisschen hängen wir ohnehin mit unseren Blogeinträgen hinterher. Eigentlich immer ein gutes Zeichen, heißt es doch, dass wir zu viel erleben, um genügend Zeit zu finden, das Erlebte auch aufzuschreiben. Nach dem Tippen dieses Blogeintrags ging dann unsere Website kaputt. Genauer die Datenbank. Wir konnten keine neuen Bilder hochladen. Bildergalerien funktionieren immer noch nicht, aber zumindest wollen wir den mittlerweile zwei Wochen alten Beitrag über Key West nun mit einer Behelfslösung (Bilder zwischen dem Text statt Galerie) posten. Wir sind mittlerweile in Indiantown, kurz vor dem Absprung zur zweiten Atlantiküberquerung. Der Blogeintrag dreht sich nun aber erstmal noch um unsere Zeit auf Key West, fast zwei Wochen her.
Wenn ihr diesen Blogeintrag gelesen habt, könnt auch auch noch einen weiteren auf YACHT.de lesen, den Johannes gestern über unsere Tage in den Dry Tortugas getippt hat. Hier ist der Lien.
Und hier der Blogeintrag, den wir vor zwei Wochen posten wollten:
Die Woche vor unserer Ankunft in Key West war sehr turbulent. Wir haben unsere “Franc-tireur” auf Marathon Key zurückgelassen und 350 Meilen auf fremden Booten zurückgelegt, dabei amerikanisches Hoheitsgebiet verlassen und mal wieder den Golfstrom überquert.
Überführung der “Trilogy” von Else und Johan auf die Bahamas, einem Schwesternschiff unserer “Franc-tireur”
Obwohl wir Marathon Key an sich nicht als besonders reizvoll empfunden haben, spielt ausgerechnet diese Insel eine wichtige Rolle in unserer Reiseanekdotensammlung. Wir haben nicht nur Johannes erste und echte „Maverick“ wiedergesehen und ihren neuen Eigner Rabble kennen lernen dürfen, sondern haben dort im großen Ankerfeld kurioserweise eine weitere Contest 33 entdeckt. Allerdings in recht bescheidenem Zustand. Aus einem neugierigen „Wir-sagen-mal-Hallo“ wurde schnell ein „Wir-bauen-mal-mit“ – und letztlich eine Überführung nach Nassau in den Bahamas, wo die holländischen Eigner Johan und Else leben und das Boot refitten wollen. Ein Trip, der uns in Erinnerung bleiben wird …
Nebenbei haben wir die 10.000 Seemeile unserer Reise voll gemacht. Nur eben leider nicht auf dem eigenen Boot. Ich finde, da kann man mal ein Auge zudrücken, immerhin war es auf einem Schwesternschiff. Johannes ist da etwas strenger: „Mit solchen Käpt’n Blaubärgeschichten fangen wir gar nicht erst an!“ Kann einen ganz wuschig machen, dieser Johannes …
Hier war jemand richtig erfinderisch: Eine Motorsense aus dem Baumarkt als Außenborder.
Unsere echte, eigene „Zehntausendmarke“ steht also noch aus. Wir sind jetzt erst mal in Key West, Touristenhochburg und Kreuzfahrt-El-Dorado, Heimat von alternativen Lebenskünstlern und betuchten Superreichen. Der südlichste Punkt der USA. Nicht zu Unrecht scheiden sich die Geister über diesen Ort: Die einen finden es einfach nur touristisch kommerziell, viel zu amerikanisch, die anderen herrlich entspannt, bunt und wunderbar amerikanisch. Tatsächlich tümmeln sich hier fast mehr Männer, die ihre freien Oberkörper zur Schau stellen wollen als in Miami, ganz gleich, ob muskelbepackt oder mehr Marke „Milchtüte“. Alkohol gibt es nicht nur in jeder Bar, sondern auch auf dem Bürgersteig aus einer Gartenspritze direkt in den Mund geschossen. Für die T-Shirts, die es hier an allen Ecken zu kaufen gibt, ist bestimmt mehr als eine Farm armer Polyester gestorben. Und: verbrannte Haut, verbrannte Haut, verbrannte Haut. Die Leute sind ein paar Tage im Urlaub und wollen partout Farbe bekommen. Ein Paradies für Dermatologen. Auf einmal ist aber eine typische Südstaatensingstimme mit Gitarrenbegleitung zu hören, eine Menschentraube knubbelt sich vor einer der vielen Bars. Allgemeines Füßewippen. Es riecht nach Burgern. Das Schwitzwasser perlt am Bierglas. Ein Lebensgefühl kommt auf …
… und verwunschene Straßenzüge zaubern ein besonderes Flair.
Neben dem ganzen Touristenwahnsinn gibt es auch die Möglichkeit, sich auf etwas ruhigere und historische Entdeckungspfade zu begeben.
Nepper und Bauernfänger unter dem Schutz eines riesigen Blätterdaches.
Und dann lassen sich noch richtige Kunstwerke entdecken: Türmchen aus Menschenhand …
… und pinke Mädchen-Puschelblüten vom Baum um die Ecke.
“Sloppy Joe’s Bar”, die Lieblingskneipe von Ernest Hemingway. Hier hat er sehr viel Zeit verbracht und bei Renovierungsarbeiten ein Urinal als Dekoration für seinen Garten mitgenommen. Schließlich sei eine Menge von seinem Geld da durchgeflossen …
Die bekannte “Duval Street”. Neben futuristischen Golfkarts gibt es hier auch die Mode der 90er zu bewundern. Oder sind es nur stinknormale Ballermanntouristen? Käppis und Badeschlappen legen es nahe … 😉
Vom “Southernmost Point of the USA” genügen wir uns mit einem Foto aus der Ferne und fremden Menschen davor. Eine unglaubliche Schlange hat sich gebildet und brütet in der Sonne.
Ok., ein kurzes Selfie haben wir dann doch noch gemacht. Und vor lauter “Hihihi” ist der rote Poller nur ein kleiner, neckischer Hut auf meinem Kopf geworden.
Bei näherer Betrachtung ist die typische Partymusik, das ständige „Uzz-Uzz“, wirklich eher die Ausnahme. Unterhaltung wird hier noch handgemacht. Schon das finden wir toll. Und dann begeistern uns die alten, kleinen Häuser von Key West, die Straßenzüge mit verknorpelten Bäumen und bunter Vegetation. Hier gibt es echtes und selbstgemachtes Gelato, kein amerikanisches Softeis aus dem Automaten. Mit einem Spatel wird es, wie im Italienurlaub, in die Waffel geschmiert. Das alleine ist für mich schon ein Zeichen für Qualität!
Johannes hat auf seinem ersten USA-Besuch den klassischen Touritrip zum südlichsten Punkt der USA, der mit einem roten Poller markiert ist, gebucht und sich gewünscht, hier einmal mit dem eigenen Boot hinzukommen. Jetzt ist es endlich soweit und die Erwartungen werden nicht getäuscht. Den roten Poller haben wir in unserem Touristenprogramm ausgelassen, nur die lange Warteschlange davor fotografiert.
Wohl haben wir aber andere touristische Schmankerl mitgenommen. Während wir im letzten Jahr nur einmal in Beaufort im Museum waren, nehmen wir mit unserer Evergladestour vor einigen Wochen und jetzt auf Key West alles mit.
Zumindest erst mal das Hemingway-Haus, in dem der berühmte Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Ernest Hemingway in den 30er Jahren mit seiner zweiten Frau Pauline und den zwei Söhnen aus dieser Ehe gelebt hat. Eigentlich wollten wir uns eigenständig im Haus umsehen, aber auf einmal folgen wir Tourführer Chris, der auf witzige und ironische Art so allerhand aus Hemingways Leben zu berichten weiß. Als wir das „Schreibzimmer“ ansehen, bekommt Johannes fast schon glasige Augen: Ein extra Zimmer im Extrahäuschen mit eigenem Catwalkzugang. A propos Cat: Hemingway soll ein ausgesprochener Katzenfreund gewesen sein. Seine Katze litt an einem Gendefekt, der sie mit sechs Zehen an der Pfote ausstattete. Heute leben auf dem Grundstück die Nachkommen eben jener sechszehigen Katze – mittlerweile beschäftigt das Museum einen eigenen Tierarzt, denn es sind derzeit 53 Katzen, die sich ganz ungeniert im Haus ausbreiten!
Hier hat Hemingway für 9 Jahre gelebt. Das Haus war ein Hochzeitsgeschenk und hat seinerzeit 8.000 Dollar gekostet.
Guide Chris erzählt uns, que 70 % seines Literaturschatzes in dieser Zeit entstanden ist. Im Hintergrund sieht man das Nebengebäude, in dem “Papa” Hemingway seine Schreibstube hatte.
Hierhin hat sich Hemingway zum Schreiben zurück gezogen. Wir sind begeistert.
Durch ein Gitter wird das “Allerheiligste” geschützt.
Auf dem Gelände leben zur Zeit 53 Katzen.
Portraits. Insbesondere das rechte erinnert uns irgendwie an eine Mischung aus “Magnum” und Higgins.
Neben der Küche hängt witzigerweise ein verblichener, deutscher Comic. Offenbar spielte eine Geschichte des “Lustigen Taschenbuchs” mal auf Key West. Und wen treffen die “Ducktales” dans les “Sloppy Joe’s Bar”?
Das Schlafzimmer mit Bad en suite, damals auch in Amerika eine wahre Besonderheit. Ich liebe die Ananaslampen.
Und im Gegensatz zu den Besuchern dürfen sich die Katzen alles erlauben: Zum Beispiel eine Runde auf dem Bett entspannen und sich den Bauch kraulen lassen.
Nebenan im Garten wird eine Hochzeit vorbereitet. Eine tolle Location, wie wir finden.
Katzen, Katzen überall. Hemingway hatte eine besondere, sechszehige Katze. Deren Nachkommen mit dem außergewöhnlichen Gendefekt werden heute nicht sterilisiert.
Ein Bier in “Sloppy Joe’s Bar” ist natürlich Pflicht.
Ernest Johannes Hemingmann freut sich.
Unser zweites kulturelles Highlight ist der Besuch im „Mel Fisher Museum“. Mel Fisher ist auf ganz andere Weise mit Key West verbunden: Er war Treasure Hunter – Schatzsucher. Die gesamte amerikanische Ostküste ist mit Schiffwracks gespickt. Unzählige Segelschiffe aus der alten Welt sind in den navigatorisch anspruchsvollen Gebieten, insbesondere in den Florida Keys und den Bahamas, in schweres Wetter oder Hurrikane geraten oder Piratenangriffen zum Opfer gefallen. Mit ihnen sanken oftmals unglaubliche Schätze und Relikte aus der damaligen Zeit. Mel Fisher suchte 16 Jahre nach der spanischen „Antocha“. Jeden Tag motivierte er seine Crew mit dem Mantra „Today’s the day“ (auf deutsch: Heute ist DER Tag) – ein Motto, das wir nicht nur für die Schatzsucherei gelungen finden. Auf Key West sind viele Artefakte von der „Antocha“ zu sehen und neben einem Einblick in den aufwändigen Such- und Reinigungsprozess lenkt das Museum das Augenmerk auf den furchtbaren Sklavenhandel. Auf der Insel hat man ein Massengrab afrikanischer Sklaven ausfindig machen können und immer wieder wird im Museum sehr plakativ der Gegenwert eines afrikanischen Sklaven vor Augen geführt: Neben einer ausgestellten Waschschüssel weist ein Schild darauf hin, dass man mit nur 15 Schalen einen männlichen, avec 10 einen weiblichen Sklaven „kaufen“ konnte.
Ein Silberbarren mit Besteuerungsprägung.
Jede Menge Klunker, die nicht nur durch Handwerkskunst, sondern vor allem durch ihr Gewicht bestechen.
Und während die Gold-, Klunker- und Blingblingseite des Schatzsuchermuseums zu Key West offensichtlich wie die Faust aufs Auge passt, mahnt auch ein kubanisches Flüchtlingsboot von 2015 vor seinem Eingang zu etwas Realismus. Und das passt auch dazu, wie wir Key West wahrnehmen: Ziemlich drüber, aber irgendwie bodenständig.
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