Morgens gibt es Kaffee ans Bett. Meistens von Johannes serviert. Sur celui, weil er fast immer vor mir wach ist – zum anderen soll es erwähnt werden, um zu zeigen, wie lieb er zu mir ist. Si.
Beim Kaffee und Schmökern werden wir langsam wach. Johannes erzählt mir von den Neuigkeiten, die er bei facebook oder auf Nachrichtenseiten im Internet liest. Uns ist letztens erst aufgefallen, was wir bei dieser Routine für ein Bild abgeben: In einer anderen Zeit hätte er wohl mit der Zeitung am Küchentisch gesessen und hin und wieder einen Kommentar zum Weltgeschehen abgegeben – aber stattdessen ist es sein iPhone. Wie konventionell wir sind. Ich lese in der Zwischenzeit meistens ein Kapitel in meinem derzeitigen Buch, von dem ich nur kurz wissen will, wie es weitergegangen ist, seit ich es den Abend zuvor zugeklappt habe. Beziehungsweise auf Standby geschaltet, denn seit wir von Johannes Freund Sammy einen E-Reader geschenkt bekommen habe, lese ich mittlerweile fast ausschließlich digital. Zur Zeit ist es „Ich greife den Wind“ von Wilfried Erdmann. Vorgestern angefangen, morgen wohl durch. Liest sich super und spannend.
Johannes bricht dann meist bald zur Arbeit auf, „nicht, dass ich noch zu spät ins Büro komme und Alisha Ärger macht“. Alisha ist die Barista bei Starbucks. Dort wird man, anders als in Deutschland, nicht komisch angeguckt, wenn man seinen Laptop in die Steckdose stöpselt und Stunden an dem gleichen Kaffee nuckelt. Auch wenn es keiner dieser fancy’gen “Chocolate Moccachino” est, sondern nur ein einfacher schwarzer Filterkaffee. Im Gegenteil – manchmal gibt es sogar einen Kaffee umsonst, als Refill, und das Internet ist ausgezeichnet schnell. Außer am letzten Samstag, als ein heftiges Gewitter am Morgen offenbar sämtliche Kommunikationsmasten im Umkreis lahmgelegt hat. Gewitter sind hier sowieso ein Ding, lang und laut und heftig. Johannes hatte mir schon vor der Reise erzählt, dass die Gewitter in den USA besonders sind. „Das hast du noch nie erlebt, wie das knallt“, hat er gesagt und ich hab mir gedacht, dass er vermutlich übertreibt. Mir ging es ohnehin mit einigen Dingen so, dass ich nicht recht glauben wollte, dass sie tatsächlich so dramatisch sind, wie es in Büchern oder aus Erfahrung berichtet wird: Kochen auf einem schaukelnden Boot, karibische Sonne ohne Sonnenschutz, Gewitter in den USA. Alles tatsächlich dramatisch.
Manchmal geht Johannes auch zu Dunkin’ Donuts, insbesondere, wenn er ein bisschen Hunger hat, denn Essen ist bei Starbucks viel zu teuer. Dafür ist die Klimaanlage bei Dunkin’ Donuts zu kalt eingestellt. Für Dunkin’ Donuts-Tage packt sich Johannes deshalb immer echte Schuhe statt Flip-Flops ein, damit die Füße nicht so kalt werden.
Und ich?
Ich bleibe vormittags meistens an Bord, damit Johannes konzentriert arbeiten kann. Still neben ihm zu sitzen ist echt nicht meine Stärke. Also räume ich lieber auf, wasche ab, tippe zum Beispiel einen Blogartikel, den wir nachmittags hochladen oder andere Texte, die angefragt wurden. Zur Zeit suche ich nach einem Aushilfs- oder Vertretungs-Job für August in Minden, Petershagen oder Umgebung. Wegen eines Krankheitsfalls in der Familie werde ich für etwa sechs Wochen nach Deutschland fliegen, sobald wir die „Maverick“ an den Steg in North Carolina gelegt haben.
Nachmittags machen wir uns dann zu zweit im Dingi auf den Weg ins Büro. Unser Schlauchboot können wir an einer Highwaybrücke festmachen, die abends immer voller Angler ist. Die Telefonleitung neben der Brücke ist voller Angelschnüre, die offenbar beim Auswerfen nicht den Weg ins Wasser gefunden haben. Unsere Anlegestelle in North Palm Beach ist wirklich ein Glückstreffer! An unserem ersten Ankerplatz in den USA kamen wir nämlich nirgends so richtig an Land. Schließlich sind wir an ein vermeintliches Dingidock von einem Segelclub gefahren. Es stellte sich aber heraus, dass alle Dingiliegeplätze fest zu bestimmten Booten gehörten und es fast schon sowas wie Hausfriedensbruch ist, wenn wir den leeren „Stellplatz“ von einem Dingi nehmen. Wo die nächste Möglichkeit zum Anlanden ist, konnte man uns aber auch nicht sagen. Komisch eigentlich. Weil wir aber ohnehin an einer Stelle fest gemacht hatten, die gar kein ordnungsgemäßer Liegeplatz war (wir hatten einen Stegpfeiler statt einer Klampe benutzt) und weil die Leute im Club so unheimlich nett waren, durften wir dort mit unserer „Lori“ für die Dauer des Einklarierens liegen bleiben. Wir hatten uns darauf eingestellt, etwas für das Anlanden zu bezahlen, das hatte man uns so erzählt, aber davon wollte man im Club gar nichts wissen. Abends haben wir mit dem Dingi eine andere Möglichkeit zum Festmachen gesucht, aber in erreicbharer Nähe nichts gefunden. Schließlich sind wir an einem kleinen Strand vor einem Privatgrundstück neben dem Supermarkt gelandet und ich habe Schmiere gestanden, während Johannes schnell das Nötigste zum Abendessen eingekauft hat.
Umso größer war die Freude, dass unser derzeitiger Parkplatz unter der Highwaybrücke als Krönung einen Supermarkt in Laufweite hat. Wobei wir den Supermarkt hauptsächlich dazu nutzen, um unseren Müll dort loszuwerden. Etwa 50 Prozent der Abende gehen wir essen. Was verschwenderisch klingt, ist in Wahrheit günstiger als selbst zu kochen. Wir haben die speziellen Tagesangebote der umliegenden Restaurants schon ziemlich gut drauf. Donnerstags gibt es zum Beispiel Burrito mit Nachos und Getränken satt für insgesamt 10 Dollar für zwei Personen bei „Tijuana Flats“. So günstig essen gehen konnten wir zuletzt in Galizien. Während der Motorreparatur mussten wir auch noch den Kühlschrank ausmachen, weil wir keinen Strom hatten. Ausgerechnet als wir mit dem Motor nicht laden konnten, herrschte zu wenig Wind für den Windgenerator und es war bedeckt. Nix mit Solarpaneel.
So richtig günstig kann man hier in Florida ohnehin nur einkaufen, wenn man in Massen kauft. Dann gibt es zum Beispiel zehn Joghurts für den Preis von sieben. Seulement, wohin ohne Kühlschrank? Vorgestern haben wir uns den Bauch voller Heidelbeeren geschlagen. Wo ein Päckchen regulär 5,50 US-Dollar kostet, haben wir für zwei Päckchen nur drei Dollar ausgegeben, also mehr als sieben Dollar gespart. Und sparen, das wollen wir ja … Spätestens jetzt hat sich die Frage nach dem Einkauf eh erledigt: Unsere Gasbuddeln sind alle. Nous espérons, dass wir sie trotz fehlendem Adapter bald aufgefüllt kriegen.
Der kleine Campingkocher, mit dem wir bis England gekocht haben, ist mittlerweile im Seegang schon einige Male runtergefallen und wir trauen ihm nicht so wirklich mehr über den Weg. Dann also heute abend lieber zu „Tijuana Flats“. Wobei sie uns dort letztes Mal schon mit Namen begrüßt haben. Es wird Zeit, dass wir uns langsam weiter machen. Wenn alles klappt und das Wetter mitspielt, wollen wir Montag los nach North Carolina. Wir sind uns noch nicht sicher, ob wir teilweise binnen im Intracoastal Waterway fahren oder den Golfstrom nutzen und komplett auf dem Atlantik segeln. Die örtlichen Segler haben uns für Cape Hatteras sensibel gemacht. Und schließlich, wie Segler David heute morgen im Dunkin’ Donuts zu Johannes gesagt hat, „we have ‘cane-season, and that doesn’t mean sugarcane!"
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