Die USA waren ein erklärtes Ziel unserer Reise. Johannes hat einen großen Teil seiner ersten Reise hier verbracht, Freunde gefunden und die Ostküste lieben gelernt. Die Original-“Non-conformist” wurde in Amerika verkauft. Johnnes könnte sich sogar vorstellen hier zu leben! Das musste ich natürlich mal genauer unter die Lupe nehmen …
Ich selbst bin vorher eigentlich noch nie richtig in den USA gewesen. Zwar bin ich schon einige Male zum Umsteigen am Flughafen in das Land eingereist, aber mit meinen drei Besuchen komme ich insgesamt auf 48 Stunden Aufenthalt, von denen ich etliche geschlafen oder in einem Auto verbracht habe. Trotzdem hatte ich natürlich schon eine fertige Meinung. Anders als für Johannes, der schon als Jugendlicher von dem Land geträumt hat, stand Amerika für mich bis vor ein paar Jahren nicht besonders weit oben auf der Liste der Länder, die ich unbedingt mal besuchen will. Einige meiner Freunde waren zur Schulzeit ein Jahr als Austauschschüler hier und ich habe mich damals oft gefragt, warum sie ausgerechnet Amerika ausgewählt haben und nicht zum Beispiel nach Australien gegangen sind, was mir damals als wesentlich mehr besuchenswert erschien. Amerika war schon interessant, aber es gab noch so viele andere Länder, die ich eher besuchen wollte, hätte ich die Möglichkeit dazu gehabt.
Ein amerikanischer Segler fragte auf den Bahamas in die Runde, ob wir „Bratwurst and Sauerkraut“ vermissen würden. „Diese Amerikaner! Typisch, was für ein Klischee“, mag mancher Leser sich denken. Interessant fand ich die Reaktion aller anwesenden Deutschen, die natürlich alles gaben, um den Ami aufzuklären, uns eingeschlossen: Man vermisse auf keinen Fall Bratwurst und eigentlich sei man auch kein Sauerkrautfan. Aber andersherum: Was ließ mich glauben, dass Australien ein besseres Ziel wäre als Amerika? Warum wollte ich immer mal Portugal besuchen und träume heute von der Südsee, obwohl ich noch nie da gewesen bin? Es sind zu einem großen Teil die Klischees, die eine Zu- oder Abneigung für ein Land prägen, in dem man noch nicht gewesen ist. In meiner Vorstellung waren die USA eigentlich recht ähnlich wie Deutschland, nur größer und alle Amerikaner dicke Umweltverschmutzer mit ihren vielen Fastfoodketten, Benzinmotoren und Papphäusern und ihrer teils zweifelhaften Politik. Und ich glaube, es ist nicht zu kühn zu sagen, dass diese Sicht in Deutschland nicht ungewöhnlich ist. Pauschal gesagt, verkörperten Johannes und ich wohl die unterschiedlichen Meinungen, die in Deutschland über Amerika herrschen: Der eine liebt es, der andere fasst sich an den Kopf, was die Amis sich jetzt schon wieder gedacht haben. Etwas dazwischen gibt es kaum.
Dazu passt es, dass ein Amerikaner, der mich beim Einklarieren interessiert zu unserer Reise befragt hat, nicht wusste, wo Grenada liegt. So dicht vor seiner Haustür. Fasse ich mir allerdings an die eigene Nase, dann muss ich gestehen, dass ich Belize für eine Stadt in Mexiko gehalten habe. Die meisten europäischen Länder kannte ich vor der Abfahrt hauptsächlich vom Eurovision Song Contest – und bis heute kann ich nicht alle Länder auf dem afrikanischen Kontinent aufzählen. Eigentlich vermisse ich auch doch eine schöne Bratwurst. Currywurst, um genau zu sein. Und ja, auch zu Sauerkraut würde ich nicht nein sagen. Und wenn wir schon mal dabei sind, zur Oktoberfestzeit sehe ich auf Facebook jedes Jahr immer mehr Bilder von Leuten, die eine Lederhose oder ein Dirndl tragen, obwohl sie definitiv nicht in Bayern wohnen.
Johannes ließ die USA auf meiner Liste zu besuchender Länder nach oben wandern. Liebt man einen Menschen, dann möchte man auch die Sachen kennenlernen, die ihm lieb sind. Ich will wissen, was ihn so fasziniert hat. Ich will natürlich auch sehen, wo ihn die Reise damals langgeführt hat, ein Kapitel seines Lebens, das nur ihm gehören soll und das ich nie verstehen werde, aber an dem ich in der Erzählung teilhaben will. Ich möchte die echte „Maverick“ besuchen. Und ich möchte mir natürlich ein eigenes Bild machen.
Die USA sind deshalb eine neue Reise in der Reise. Ein wichtiger Abschnitt. Wir werden hier so viel Zeit verbringen, wie in der gesamten Karibik. Wenn alles klappt, wollen wir nächste Woche nach North Carolina verholen und dort an einen Steg gehen. Teils, weil wir müssen – um Geld zu verdienen – teils, weil wir ein kleines bisschen Wurzeln schlagen wollen. Nach anderthalb Wochen in diesem Land, das bisher so freundlich zu uns war, kann ich erahnen, warum Johannes es sich vorstellen könnte hier zu leben.
Während ich diese Zeilen tippe, sitzt Johannes gerade im nächsten Starbucks, in dem die Internetverbindung fantastisch und der Strom für den Laptop umsonst ist, und arbeitet. Etwas, was in keinem anderen Land bisher so möglich war und für unsere Reise doch so wichtig ist. Vor allem hätte es nicht den zweiten Kaffee gratis als Refill gegeben.
Gestern war übrigens Independence Day, der amerikanische Nationalfeiertag. Von unserem Ankerplatz hatten wir einen fantastischen Ausblick auf eins der vielen Feuerwerke. Happy Birthday Amerika! Dank u, dass wir hier sein dürfen!
Hoe