Mit Martinique haben wir nicht nur eine französischsprachige Insel, sondern wieder auch Europa erreicht. Die Insel ist ein französisches Département. Hier zahlt man nicht nur mit dem Euro, sondern es sieht auch ganz anders aus als auf den Inseln, die wir bisher besucht haben. Manchmal vergesse ich regelrecht, dass wir noch in der Karibik sind. Gestern kamen wir zum Beispiel an einer Straßenbaustelle vorbei und ich konnte nicht so recht sagen, was uns mehr erstaunt hat: Dass die Baustelle nicht nur mit Pylonen, sondern auch mit einem Auto abgesperrt war, das mit einem blinkenden Pfeil zum Spurwechsel aufrief – oder dass der Bauarbeiter mit einer Wasserwaage gearbeitet hat … Es gibt hier mehrspurige Straßen, Verkehrsschilder, Klimaanlagen und vor allem Supermärkte! An unserem Ankerplatz in Le Marin haben wir sogar die Auswahl aus drei verschiedenen, einer mit Dingi-Steg. Die Boulangerie an der nahen Marina backt beste Baguettes und verkauft sie für einen Euro. Ein Schlaraffenland. Heute morgen haben wir “Maverick” bis zum Rand mit feinstem Diesel, edelstem Wasser und flüssigstem Benzin für unser Dingi “Lori” gefüllt. Die erste Fuhre Lebensmittel ist auch schon an Bord. Für mich waren vor allem die vielen, extrem bezahlbaren Sorten Käse eine große Freude. Auf den übrigen Inseln besteht die Wahl ausschließlich zwischen Cheddar verschiedener Hersteller. Johannes hat sich besonders über die große Auswahl an Rotwein gefreut. Für 2,50 Euro die Flasche.
Aber auf Martinique stand neben dem Bunkern auch noch ein anderer Programmpunkt auf der Liste. Ein Klinikbesuch. Auf Madeira hat Johannes sich ja leider eine Grippe samt Blasenentzündung zugezogen und aufgrund falscher Behandlung haben sich einige Bakterien wohl so richtig mollig in ihm eingenistet. Nach einem Antibiotikum auf Madeira hat er das nächste dann nach Rücksprache mit seinem Arzt auf dem Atlantik genommen. Auf Grenada gab es dann das dritte. Auf Union Island das vierte. Obwohl es ihm schon besser geht als zu Beginn, sind die Beschwerden nie ganz abgeklungen. Also sind wir gestern im örtlichen Uniklinikum gewesen. Da es keinen Bus gibt und die Klinik mit den Experten 35 Kilometer entfernt liegt, ging das nur per Mietwagen (43 Euro/Tag). Das dritte Krankenhaus unserer Reise – und wieder ganz anders, als auf Madeira oder Grenada.
Vor allem die Abläufe sind jedesmal anders. Bei der allgemeinen Anmeldung haben wir uns vermutlich schon aus Versehen vorgedrängelt. Sicher bin ich mir nicht, denn ich habe mal wieder zu wenig verstanden. Das ist uns schon auf Madeira passiert, erst beim nächsten Besuch habe ich den Automaten entdeckt, an dem man eigentlich eine Nummer ziehen muss.
Als wir aufgerufen wurden, teilte uns der Arzt mit, dass er eigentlich kaum Englisch spricht. So wenig war es dann aber eigentlich doch nicht und zum Glück sind einige Ausdrücke irgendwie doch international. Der Spezialist hielt aber gar nichts davon, dass Johannes mittlerweile so viele Tabletten genommen hatte, ohne dass speziellere Untersuchungen gemacht wurden, die über einen Schnelltest hinausgehen. Er verordnete das volle Programm: Blutuntersuchung, einen Organscan und natürlich auch den Schnelltest. Leider auch eine Blasenspiegelung, die er offensichtlich außer der Reihe macht, weil wir nur auf der Durchreise sind. Freitag morgen um 7.30 Uhr hat er uns einen Termin gegeben.
Mit einem Laufzettel in der Hand sind wir also wieder runter an die Anmeldung gegangen und haben nach der Radiologie gefragt. Die nette, einheimische Frau hinterm Schalter, Géraldine, sprach sogar ein paar Worte Englisch. Wahrscheinlich hat es sie verwirrt, dass ich angefangen habe ihr mit meinem Pseudofranzösisch zu erklären, dass wir anschließend auch noch ins Laboratoire für eine Blutuntersuchung müssen. Sie muss gedacht haben, dass es eh keinen Sinn hat, uns den Weg zu erklären und dass es vermutlich besser sei, uns einfach den Weg zu zeigen. Auf jeden Fall ist sie aufgestanden, hat „Follow me“ gesagt und uns durch das ganz schön große Krankenhaus zur Radiologie geführt. Dort hat sie sich dafür stark gemacht, dass wir „maintenant“, jetzt gleich, einen Scan machen können, weil wir nur noch wenige Tage auf Martinique seien. Keine Ahnung, woher sie das wusste. Es gab auf jeden Fall eine kleine Aufregung und ich meine verstanden zu haben, dass wir normalerweise erst einen Termin hätten machen müssen, der mit Sicherheit nicht mehr diese Woche zu haben gewesen wäre. Wenige Minuten später wurde Johannes dann aber doch zum Scan abgeholt und in einen Körperscanner geschoben. Ein großer, rotierender Ring, der ihn von allen Seiten durchleuchtet. Die Taschen hat er vorher von Portemonnaie und Telefon befreit, allerdings seinen Reisepass in der Gesäßtasche vergessen. Nun sind wir gespannt, ob der Microchip darin Schaden genommen hat.
Als wir nach dem Scan wieder ins Vorzimmer der Radiologie kamen, saß dort noch Géraldine. Sie sprang auf, machte noch kurz klar, dass wir die Scanbilder schon in ein paar Minuten abholen können, sagte „Follow me“ und brachte uns über mehrere Flure zum Labor. Dort erklärte sie den Schwestern, welche Tests gemacht werden mussten und während Johannes Blut lassen musste, setzte sie sich mit mir in den Warteraum.
Nach Blutuntersuchung und „Pipitest“ konnten wir unsere Odyssey fortsetzen. Wieder hatte Géraldine auf uns gewartet, bis alle Untersuchungen gemacht waren. „Follow me“, sagte sie anschließend und brachte uns noch einmal in die Radiologie, wo Johannes nach kurzer Wartezeit echt coole 3D-Bilder von seiner Wirbelsäule und Röntgenbilder von den Organen bekam. Natürlich hatte Géraldine auch hier gewartet.
Zwei Stunden hat sie ausschließlich mit uns verbracht und die Anmeldung war in der Zeit nur mit einer, statt mit zwei Personen besetzt. Ohne Géraldine wären wir echt aufgeschmissen gewesen. Ziemlich wahrscheinlich hätte Johannes den Scan in dieser Woche nicht mehr machen können und das Labor hatte eigentlich auch schon geschlossen. Das hat uns ganz schön demütig gemacht. So oft wurde uns auf der Reise schon geholfen und so oft haben vermeintliche Kleinigkeiten unsere Nerven geschont. Im Auto auf der Rückfahrt zur „Maverick“ haben wir uns darüber unterhalten. Wie oft haben wir schon Leuten geholfen, die in der Hamburger Fußgängerzone verwirrt nach ihrem Ziel suchten. Oder Anhalter mitgenommen? Oder Stegnachbarn aus dem Ausland eingeladen, mit uns zum Supermarkt zu fahren? All das ist uns hier schon widerfahren. Diese Erlebnisse wollen wir bewahren und mitnehmen in unser „Leben nach der Reise“.
Am Samstag kommt in Fort de France Johannes‘ ältester Freund an Bord. Die beiden sind Zaun an Zaun aufgewachsen und er freut sich riesig auf den Besuch. Die Vorfreude hilft die Sorge um die nächste Untersuchung zu überspielen. Johannes möchte, verständlicherweise, nicht so gerne daran erinnert werden, aber selbst ich bin schon ziemlich aufgeregt. Drücken wir die Daumen, dass die Baustelle bald abgeschlossen werden kann. Wenn alles gut geht, segeln wir Montag weiter nach Dominica.
Cati