Das Leben an Bord ändert sich mehr und mehr. Die ersten eineinhalb Wochen haben wir eigentlich Tag und Nacht in Thermounterwäsche gelebt, über die wir während unserer Wachen dann noch jeweils Vlies und Ölzeug gezogen haben. Bis zu den Kanaren war es tagsüber noch relativ kalt, bis zu den Kapverden auch nachts. Bem, die Flautentage einmal ausgenommen. Cati hat drei Sätze Thermowäsche an Bord, ich nur einen einzigen. Irgendwie unfair. Deshalb konnte ich es auch kaum abwarten, zu den Kapverden zu kommen. Mit Erreichen der südlichen Breiten ist es an Bord nun deutlich wärmer geworden. Tagsüber sitzen wir mit kurzer Hose im Cockpit und lassen uns die Sonne auf den Pelz scheinen – und selbst nachts reicht es, in Boxershort an Deck zu hüpfen, wenn die Windfahne etwas nachjustiert werden will. Auch das Bordleben ist zur Routine geworden. Die Wachwechsel alle vier Stunden nachts, das Kochen, das Abwaschen, die Salzwasserduschen. Heute hatten wir beide einen Riesenappetit auf frisches Brot. Glücklicherweise habe ich in Deutschland bei Lidl noch etwa 15 Backmischungen eingepackt. Unser Backofen hat allerdings eine kleine Macke: Das Thermostat erreicht die eingestellte Temperatur und die Gasflamme wird so niedrig gedreht, dass sie irgendwann ausgeht. Ich habe das bisher immer auf einen falschen Druckminderer geschoben, denn wir haben ein 50-mBar-Modell verbaut, der Hersteller schreibt 37 mBar vor. Aber nun haben wir den Ofen heute tatsächlich dazu gebracht, eine Stunde lang 220 Grad zu halten. Das Ergebnis ist ein tolles, frisches Sonnenblumenbrot. Was für ein tolles Geschenk hier draußen auf dem Atlantik. Solch im deutschen Alltag ganz normale Dinge sind es, an denen wir uns hier freuen, wie kleine Kinder 🙂 Das Schiff läuft gerade super, wir machen seit dem Morgengrauen richtige Rauschefahrt. Sempre 6 para 6,5 Nó. Allerdings etwas zu weit südlich, der Wind kommt direkt aus Nordost. Im Westen sollte er dann östlicher kommen, deshalb haben wir heute die Segel geschiftet und können nun etwas mehr West gutmachen. Das sollte so erstmal hinhauen. Wir haben schon 1310 Seemeilen zurückgelegt und so langsam gibt es ein paar Wartungsaufgaben. Eine Steuerleine der Windsteueranlage muss zum Beispiel heute noch getauscht werden, damit sie uns nicht bei Nacht wegfliegt. Ansonsten ist aber noch alles in Ordnung, keine Ausfälle am Boot. Ich bin wirklich begeistert. Ausfälle bei mir allerdings. Ich nehme seit gestern Abend Antibiotika. Bis eine Woche vor der Reise habe ich ja auf Madeira mit einer heftigen Grippe in der Koje gelegen und mir dabei wohl im Rahmen der Erkrankung auch noch die erste Blasenentzündung meines Lebens zugezogen. Damit war ich in Funchal sogar in der Klinik (53 Euro) und habe eine Packung Antibiotika verschrieben bekommen. Die habe ich damals weggeknuspert und dachte, damit wäre alles in Butter. Eine Woche nach der letzten Tablette haben wir abgelegt. Allerdings scheint die Krankheit noch nicht ganz weg gewesen zu sein, sondern kommt nun zurück. Das ist natürlich mitten auf dem Atlantik mehr als unpraktisch – und auch ein bisschen besorgniserregend. Hab gelesen, dass sie beim Mann auf die Nieren und andere Körperteile überspringen kann, wenn sie nicht behandelt wird. Bem, dass ich hier nicht nach noch mehr Gefahren googeln kann. Blödes Gefühl trotzdem, mit den Kapverden im Nacken (gegen den Passat) und noch 2000 Seemeilen vor dem Bug. Glücklicherweise habe ich Cati eine Packung Antibiotika auf die Einkaufsliste geschrieben, als sie in Funchal die letzten Besorgungen gemacht hat – und nach Absprache per Mail mit meinem netten, segelnden Hausarzt futtere ich die nun jeden Tag. Wird schon wieder werden … Ansonsten laufen wir als erstes Barbados an, das noch 100 Meilen näher liegt, als die anderen Inseln der Windwards. Inzwischen zeigt das GPS nur noch 1700 Seemeilen bis dorthin an. 12,5 Tage bei dem Speed. Kommt uns gar nicht mehr so viel vor, dabei ist morgen oder übermorgen erst Bergfest. Meilenmäßig jedenfalls. Zeittechnisch wohl heute. Wir freuen uns anzukommen, am Strand zu liegen und im Wasser zu schwimmen. Aber uns ist hier draußen alles andere als Unwohl. Wir lieben unsere kleine Welt fast ohne Einflüsse von außen. Damals nach meiner ersten Atlantiküberquerung, depois 31 Tagen auf See, wollte ich sogar immer so weitersegeln … John