Wir liegen immer noch in Viveiro und warten weiterhin auf Ersatzteile. Neben dem neuen Rohr für den Wassersammler zum Beispiel auch auf ein Schnellverschlussventil, das Johannes in die Dieselleitung einbauen will, damit der Motor endlich auf komfortable Art gestoppt werden kann. In Deutschland haben unsere Nachbarn und Freunde einige Tage rotiert, damit wir schnell wieder auf Kurs kommen und unsere Reise fortsetzen können. Drei Pakete sind zumindest schonmal in Spanien, soviel konnten wir per Online-Tracking herausfinden. Sobald alles da ist, wollen wir dann endlich die 55 Seemeilen nach La Coruña weitertuckern. Weitersegeln wäre natürlich auch toll, aber bislang hat sich hier noch kein Lüftchen geregt.
Auf der stürmischen Biskayafahrt sind leider unsere Polster im Vorschiff nass geworden. Vermutlich ist das wasserdichte Luk zum Ankerkasten doch nicht ganz so wasserdicht. Die ganzen Plünnen zu waschen und zu trocknen hat mehrere Tage gedauert. Alles im Eimer auf dem Steg, die Teile waren zu groß für unsere tolle Kurbelwaschmaschine. Und in der Marina gibt es keine Waschmaschine, auch wenn die Piktogramme in Revierführer und vorm Hafenmeisterbüro etwas anderes sagen. Wir haben einen Revierführer aus dem Jahr 2000. Darin ist die Marina gerade im Bau beschrieben und es wird versprochen, dass in den nächsten zwei Jahren alle Servicemöglichkeiten vorhanden sind 🙂 Macht aber nichts, auch wenn wir hier in Containern duschen, sind es die saubersten Duschen und Toiletten auf der ganzen Reise. Und ich habe es sehr genossen auf dem Steg ein bisschen mit Wasser rumzupitschern, schließlich hatten wir hier die letzten Tage bis zu 27 Grad Celsius!
Entgegen aller Hinweise im Revierführer gibt es hier auch keine Tankstelle, weder für Boote noch für Autos. Die nächste ist einige Kilometer entfernt. Ein echtes Problem, denn wir haben nicht mehr viel Diesel im Tank und der Wind war hier die letzten Tage sehr flau. Mobil müsste man sein, um Diesel zu holen und Ersatzteile fürs Boot. Johannes hat schon öfter in Spanien günstig einen Mietwagen bekommen, sein Rekord waren zwei Tage für 16 Euro. Deshalb haben wir uns gleich auf die Suche gemacht, aber Viveiro ist leider ein wenig ab von jeglichem Tourismus. Trotzdem, das wäre eine große Hilfe – deshalb ist Johannes mit dem Bus ins 100 Kilometer entfernte Lugo gefahren und hat einen Mietwagen abgeholt. Damit konnten wir zwei Tage lang nicht nur Tankstellen und Baumärkte abklappern, sondern die Wartezeit auf die Ersatzteile aus Deutschland auch noch nutzen, um zum ersten Mal auf unserer Reise auch einmal das Landesinnere zu erkunden.
Wirklich fantastisch, die ganzen Berge hier! Man fühlt sich wie im Allgäu, die Straßen scheinen manchmal einfach zu enden, wenn die Abhänge am steilsten sind. Wir haben viele leerstehende Häuser gesehen, alte Einkaufszentren, die einfach leerstehend hinterlassen wurden, Rohbauten, die man nicht fertig gestellt hat. Oftmals scheinen die Menschen nur das zweite Stockwerk eines Hauses zu bewohnen, während unten alles zugenagelt ist oder nicht mal Wände gezogen wurden. Für uns fremd, dennoch: eine traumhafte Kulisse und faszinierende Orte!
Unser Ausflug führte uns nach Santiago de Compostela. Obwohl man da ja eigentlich zu Fuß hin geht … Spätestens seit Hape Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg!“ ist der Ort auch in Deutschland bekannt als Ziel des Jakobswegs. Neben Jerusalem und Rom war Santiago de Compostela eins der wichtigsten Pilgerziele im Mittelalter und auch heute und außerhalb der Saison ist die Stadt voll von Touristen und Pilgern.
Die Stadt ist viel größer, als wir sie uns vorgestellt haben, aber hat uns außerordentlich gut gefallen. Viele kleine und verwinkelte Straßen mit Kramlädchen, überall bekommt man auf der Straße kleine Häppchen, um zu probieren, was in den verschiedenen Bars, Cafés und Läden Leckeres angeboten wird. Eine Sitte, die beim Spazierengehen satt macht und die wir ganz schön toll finden 🙂
Natürlich haben wir auch die Kathedrale besichtigt, in der angeblich die Überreste von Jakobus zu finden sind. Die Außenfassade wird gerade erneuert, aber der Innenraum ist sehr prunkvoll. Insbesondere der Altarbereich ist sehr opulent und ganz schön gold. In der Mitte der Kathedrale hängt ein 1,60 Meter großes Weihrauchfass, dass zu speziellen Gelegenheiten bis unter die Decke geschwenkt wird. Angeblich dient der Rauch nicht nur der Liturgie, sondern auch, um den Geruch der Pilger zu überdecken …
Wir haben auf dem großen Platz vor der Kathedrale gesessen, die ganze Szenerie auf uns wirken gelassen und uns die Frage gestellt, ob die Pilger vielleicht enttäuscht sind, wenn sie ankommen. Tage- oder sogar wochenlang waren sie allein mit sich und ihren Gedanken. Hatten genügend Zeit in die Ferne zu schweifen, das Leben zu rekaputilieren. Warum man da ist, warum man das Hamsterrad des Lebens läuft. Viele kommen aus turbulenten Lebensumständen und wollen das Ganze durch den Pilgerpfad bewusst von außen betrachten. Und dann kommen sie in Santiago an – und alles, was mit dem Jakobsweg zu tun hat, ist bis zum gehtnichtmehr kommerzialisiert: Selbstverständlich gibt es rund um die Kathedrale die obligatorischen Merchandisingstände, jeder Pilger kann sich erstmal ein T-Shirt kaufen, das belegt, dass er den Jakobsweg gegangen ist. Sogar Spongebob und Hello Kitty scheinen bereits gepilgert zu sein. Aber auch in der Kathedrale selbst … die Beichtstühle haben rote Lämpchen, die anzeigen, ob sie in Benutzung sind, für 2 Euro kann man eine elektrische „Kerze“ anzünden. Überall laufen Ordner mit gelben Warnwesten durch die Kirche und über Plasmafernseher und Lautsprecheranlage wurden die Besucher zu „Silencio“ aufgerufen. Vielleicht ist das ja mittlerweile Standard und in Zeiten, in denen selbst für die Sixtinische Kapelle in Rom eine PR-Strategie entwickelt wird, nicht außergewöhnlich, dennoch … irgendwie alles merkwürdig.
Auf dem Rückweg haben wir noch in La Coruña vorbeigeschaut, wo eine Yacht aus Hamburg liegt, mit der wir schon seit Wochen auf Parallelkurs segeln, ohne uns mal getroffen zu haben. Die Crew der „Lilly-Marie“ hat uns zu Kaffee und Kuchen eingeladen, was uns wirklich gefreut hat. Wir hoffen, dass sie noch da sind, wenn wir in den kommenden Tagen dorthin dampfen.
Viel Spaß bei den Fotos!
Cati