Es klang wie das Schnäppchen des Jahrzehnts: Eine Contessa 32 für 14.000 Euro. Das Schiff hat schon immer zu meinen Traumschiffen gehört, seit ich 2007 zusammen mit dem Australier Nick Jaffe auf dessen Contessa 26 entlang der britischen Südküste und hinüber nach Belgien und Holland gesegelt bin. Irgendwann habe ich dann erfahren, dass eine Contessa 32 als einziges Boot dieser Größe das Fastnet-Race von 1979 schadlos zuende gesegelt hat und der Amerikaner John Kretschmer später mit seiner „Gigi“ mit zwei Stopps von New York rund Kap Hoorn nach San Francisco gesegelt ist. Während meines Schiffbaustudiums bin ich im Copyshop auf ein Skript über Stabilitätsrechnungen von Yachten gestoßen. Darin wurde ein typisches Regattaboot der 70iger Jahre (die „Grimalkin“) mit einer Contessa 32 verglichen. Während die „Grimalkin“ nur einen Kenterwinkel um 110 Grad besitzt (ähnlich wie die meisten der heutigen Fahrenyachten), wurde der Contessa 32 ein Kenterwinkel von phänomenalen 155 Grad bescheinigt. Das sind 45 Grad mehr, als für Seegebiet A nötig sind. Kurz: Sie gehört zu den stabilsten und seetüchtigesten Schiffen ihrer Größe. Diese Boote sind in England selten für weniger als 25.000 Euro zu haben. Selbst, wenn sie in wirklich miesem Zustand sind. 14.000 Euro ist also wirklich ein Schnäppchen.
Der Nachteil: Das Schiff liegt in Alicante. Aber es sollte ja eigentlich kein Problem darstellen, es mit meinem Resturlaub nach Frankreich zu segeln und von dort dann entweder durch die Kanäle oder per LKW nach Hause zu überführen. Nach ein paar Mailwechseln mit dem spanischen Eigner, der das Schiff vor zwei Jahren von einem Briten übernommen hatte (also alle Papiere auf Englisch), habe ich also einen Flug nach Alicante gebucht.
Weil dort unten derzeit Winterbetrieb herrscht, gibt es kaum Direktflüge. Da die Kasse natürlich – wie immer – knapp ist, hatte ich den billigsten ausgewählt. Am Freitag um 15 Uhr ging es von Hamburg nach Amsterdam. Dort habe ich dann 15 Stunden und 50 Minuten herumgesessen, bis am nächsten Morgen der Flieger nach Spanien startete. Die lange Wartezeit war natürlich nicht sehr spannend, aber ein alternativer Flug mit nur 6 Stunden Wartezeit sollte gleich über 100 Euro mehr kosten.
Die Wintersaison in Spanien hat abgesehen von den umständlichen Flugverbindungen aber auch etwas Gutes: Mein Mietwagen, ein kleiner Kia Piccanto, sollte für zwei Tage nur 17 Euro kosten, ein Hotelzimmer im 3-Sterne-Tennisresort in Villajoyosa nur 25 Euro. Perfekt.
Kaum auf spanischem Boden gelandet, bin ich dann auch gleich zur Autovermietung gehechtet und kurz darauf mit dem rundum verbeulten Mietwagen (irgendwo muss der günstige Preis ja herkommen …) Richtung Norden geknattert. Ich hatte mit dem Eigner der Contessa abgemacht, dass wir uns um 14 Uhr auf dem Boot treffen. Schon um 13 Uhr war ich dann im kleinen Fischerort Moraira und hatte noch genug Zeit, mir einen Café con Leche zu gönnen. Plötzlich klingelte das Telefon. „Hello, wo bist du denn“, fragte der Eigner in schwer zu verstehendem Englisch. „Ich bin in Moraira, sitze in einem Cafe“. „Okay, dann treffen wir uns gleich, ich bin in fünf Minuten da.“
Also schnell den Kaffee bezahlt und ab zum Hafen. Als der Eigner eine halbe Stunde nach dem verabredeten Termin noch immer nicht da war, schob ich es auf die südländische Gelassenheit. Eine weitere halbe Stunde später habe ich dann angefangen alle Stege abzulaufen. Das Boot besitzt ungewöhnlicherweise einen Holzmast – und sowas ist ja schon von weitem zu erkennen. Als ich dann eine weitere halbe Stunde später alle Stege abgelaufen, aber das Boot nicht gefunden hatte, wurde ich skeptisch und rief nochmal an: „Ich bin im Club Nautico in Moraira, aber kann das Boot nicht finden.“ – „Ja, wir sind auf See, aber sind gleich da.“
Was? Warum ist der auf See, wenn wir uns um 14 Uhr auf dem Boot im Hafen verabredet haben? Ich bin also auf die Mole geklettert und konnte auch zwei Boote sehen. Eine kleine Delanta und eine weitere, dunkel lackierte Yacht am Horizont. Die Contessa soll rot sein und ein Bimini haben. Dunkel und Bimini, das passt. Das ist sie. 20 Minuten später war das Boot dann schon nahe dem Hafen, fuhr aber plötzlich eine Wende und entpuppte sich als Beneteau. Keine Contessa. Das gibts doch nicht. Inzwischen war es 16.30 Uhr und langsam hatte ich die Nase voll. Fast 24 Stunden Anreise lagen hinter mir, 36 Stunden auf den Beinen und das Boot war einfach nicht zu sehen. Also zurück in den Kia und auf den höchten Berg. Bei dem herrlichen Wetter konnte ich von dort oben locker zehn Meilen in jede Richtung gucken – aber sah kein einziges Boot.
Das könnte die rote Contessa sein. Ist sie aber nicht 🙁
Blick vom Berg. Kein Schiff zu sehen.
Mietwagen Kia Piccanto – für 17 Euro / 2 Tage
Inzwischen war ich misstrauisch. In meiner Tasche hatte ich – sicherheitshalber, falls es noch einen anderen Interessenten geben sollte – eine Anzahlung auf das Boot. Im Gepäck mein Kameraequipment und Computer. Der Eigner hatte am Telefon erzählt, dass er mich im Hafen an Bord nehmen und dann schnell wieder raus fahren wollte. Inzwischen dämmerte es auch noch, die Sonne stand tief am Himmel. Mir wurde mulmig. Nicht, dass ich noch einen Knüppel über den Kopf bekomme und im Meer lande. Vielleicht hat es das Schiff auch nie gegeben? Aber was sollte das Ganze dann? Der Eigner hatte sich seit zwei Stunden nicht mehr gemeldet und mein Handyakku war nach der langen Reise fast alle. Also strich ich die Segel und nahm Kurs aufs Hotel.
Abends habe ich ihm dann noch eine Mail geschrieben, gefragt, was das Ganze denn solle und ob wir uns am kommenden Tag am Boot treffen würden. Am nächsten Tag ließ der Spanier aber nichts von sich hören. Also habe ich mir stattdessen die Costa Blanca angesehen, jeden Hafen von Benidorm bis nach Alicante abgeklappert. In letzterem Hafen war ja gerade vor einigen Wochen das Volvo-Ocean-Race gestartet und noch immer lagen zwei VO70-Boote dort. Das fand ich allerdings längst nicht so spannend wie die Tatsache, dass Wilfried Erdmann hier in diesem Hafen 1966 seine erste Kathena gekauft und für die Weltumsegelung ausgerüstet hat. Ich habe mir also alles angesehen, überlegt, wo er wohl damals gelegen hat und vorgestellt, wie es zu jener Zeit hier ausgesehen haben mag. Um 19.50 Uhr ging mein Flieger zurück nach Amsterdam. Bis dahin hatte sich der Eigner der Contessa nicht mehr gemeldet. Kurz nach 23 Uhr war ich in Amsterdam, flog nach einer weiteren Nacht auf meinem inzwischen sehr vertrauten Sofa in der Abflugwartehalle am Morgen weiter nach Hamburg. Um Punkt acht Uhr setzte die kleine Fokker in Hamburg auf und um 9 Uhr saß ich an meinem Schreibtisch in der YACHT-Redaktion. Mehr als 500 Euro hat dieser Ausflug nach Spanien gekostet. Ein merkwürdiger Trip.
Dienstagabend habe ich dann überraschend doch noch eine SMS von dem Spanier bekommen. „Oh, du warst im falschen Hafen. Das Schiff liegt in Javea. Sorry.“ In einer weiteren Mail am nächsten Tag schrieb er dann, dass „Moraira“ und „Javea“ für die dort ansässigen der gleiche Ort sind – auch wenn Javea 13 Kilometer weiter nördlich liegt. Ähnlich, wie wenn mich einer fragt, woher ich komme und ich mit „Wolfsburg“ antworte, obwohl ich eigentlich aus der kleineren Nachbarstadt „Fallersleben“ bin.
Ernüchternd, so knapp vor dem Ziel gescheitert zu sein. 13 Kilometer. Prompt hat mich der Spanier nun heute gefragt, wann ich denn nochmal dorthin komme – und gleichzeitig den Preis um 2.000 Euro vermindert. Ob ich die Reise noch einmal aufnehme? Ich weiß es nicht. Was meint ihr?
Johannes
Nachtrag, einige Wochen später:
Ich habe eben von einem deutschen Segler erfahren, dass Javea und Moraira NICHTS miteinander zu tun haben. Die Orte liegen 14 Kilometer auseinander, dazwischen ein Berg! Außerdem stand in der Annonce klar „Club Nautico Moraira“. Es muss sich also wirklich um einen Betrugsversuch gehandelt haben. Ich bin froh, dass ich nicht noch länger am Hafen gewartet habe. Wer weiß, was noch passiert wäre … Inzwischen hat der Eigner den Preis wieder nach oben begradigt, sie kostet nun 18.000 Euro. Alles sehr mysteriös …