Liebe Leser,
gestern Abend saß ich gerade mit dem Laptop in der wie irre rollenden
Kajüte, um mir ein wenig neues Entertainment auf meinen MP3-Player für
die Nachtwache zu spielen (jaahaa, seit Maverick hat sich einiges getan
;-)), als mich Egi mit düsterer Miene an Deck rief: "Wir haben ein
Problem – guck mal!". Schnell hatte ich mir die Ölzeughose übergezogen
und war an Deck gesprungen – und tatsächlich: Das Groß war gerissen, an
der zweiten Reffreihe. Dumm gelaufen, denn wir haben noch gut 1.700
Meilen vor uns. Zwar können wir es noch im dritten Reff setzen, aber
wenn wir wieder auf schwache Winde treffen sollten, wären wir ganz schön
gehandicapt mit dem kaputten Segel. "Anyway, da können wir heute eh
nichts mehr ändern …", dachten wir und ließen uns nur vom zu 3/4
ausgerolltem Yankee durch die Nacht ziehen. Mit immerhin noch 6 Knoten.
Zugegeben, wir waren vor dem Segelriss ein wenig übertakelt unterwegs
mit einem Schnitt von 7,5 Knoten, im Surf oft bis 9, einmal sogar über
12 Knoten. Hat enorm Spaß gemacht, aber wir sollten hier eigentlich
nicht auf Geschwindigkeit, sondern Haltbarkeit segeln.
Gestern hatte ich die "lange Nacht". Oder die "kurze", wenn man den
Schlaf rechnet. Als ich heute Morgen um 8 in die Koje stieg machte sich
Egi dran, die Leine für das dritte Reff ins Segel zu ziehen und das Groß
zu flicken. Ging wohl ganz gut. Schon gestern hatte Egi festgestellt
"Mist, ich hab schwarzes und grünes Dyneema-Garn dabei, aber keins in
Segelfarbe!". Scheint, als sollte das auch das Schlimmste an dem Riss
gewesen sein. Sieht so genäht und getapet zwar nicht schön aus, aber
sollte bis auf die Azoren halten. Was besseres ist bei 16 Knoten Wind
und bis zu 3 Metern Welle von Achtern einfach nicht zu machen. Kaum war
das Segel fertig repariert, rief mich Egi wieder aus der Koje: "Wir
haben noch ein Problem!". Ich hatte mich über das klängelnde Geräusch
vom Heck her schon gewundert …
Ein Blick nach oben: Der Random (die "Antenne") des Radars war
losgerissen und baumelte vom Achterstag über dem Cockpit. Nun muss man
dazu sagen, dass das Radar auf der Gavdos typisch amerikanisch und
ziemlich merkwürdig gefahren wurde: Ein dünnens Edelstahlrohr, das
parallel zum Achterstag montiert und durch selbiges gehalten wurde, trug
in etwa 3 Metern Höhe den halbhardanisch aufgehängten und ziemlich
schweren Random, der natürlich in jeder Welle hin und her geschaukelt
wurde. Durch torsionskräfte hatte sich das Rohr durch die Drehbewegungen
einfach immer dünner gearbeitet und war nun gebrochen. Ein
Mordsspektakel, das Ganze von oben runter zu bekommen. Zumindest bei den
eingangs beschriebenen Seeverhältnissen. Wir haben es schließlich an der
Kardanik gelöst, das Kabel gekappt und müssen nun ohne Radar auskommen.
Schade, denn manchmal war es schon sehr praktisch. Nun liegt es in der
Vorschiffskoje und ruht sich aus von dem ganzen Geschaukel.
Man sieht wieder: Alles, was an Bord an Technik vorhanden ist, wird
irgendwann kaputt gehen. Merkwürdig nur, dass mir auf der Reise mit
Maverick auf der ersten Etappe zu den Kanaren ebenfalls nach etwa 400
Meilen erst das Groß gerissen und dann das Radar herunter gekommen ist.
Tze….!
Trotz der reduzierten Segelfläche kamen wir gut voran: Ein Etmal von 138
Meilen. Noch 1690 Meilen bis zu den Azoren. Die Position ist 40 Grad
22,1' N, 065 Grad 18,3' W
Bis morgen!
Euer Johannes